Ihr erinnert euch sicher: Kürzlich schrieb ich hier im Blog, dass der Herr S. und ich uns haben hinreißen lassen: Einen Tag lang mitzumachen. Beim Ramadan. Nun. Vorletzten Samstag war es dann soweit: Um Punkt 02:51 Uhr inmitten der Nacht war Schluss mit Essen und Trinken. Unser Wecker klingelte um 02:40 Uhr. Denn aufgrund ausdrücklicher Empfehlung haben wir uns noch schnell eine Flasche Wasser einverleibt. Kurz vorher. Sozusagen. Das nächste Mal etwas zum Trinken gab es erst wieder um Punkt 21:50 Uhr. Also ziemlich genau 19 Stunden später.
Üblicherweise wird auch noch was gegessen – aber darauf haben wir verzichtet. Da wir uns schon den ganzen Abend lang den Bauch vollgeschlagen haben und schlichtum pappsatt waren. Diese jene Mahlzeit in der Nacht, kurz vor dem Sonnenaufgang, heißt Sahūr. Die meisten trinken vor allem sehr viel und essen dazu irgendwas Leichtes. Es sollte nicht zu salzig, würzig oder fettig sein, da dies dem Körper zu viel Flüssigkeit entzieht.
Wenn der Ramadan im Winter liegt und die Tage kürzer sind, bleiben viele auch einfach gleich wach. Starten in den Tag. Dieses Jahr liegt der Ramadan allerdings nun eben im Juni. Inmitten der Zeit also, mit den längsten Tagen im Jahr. – Die zudem umso länger werden, umso weiter man sich vom Äquator entfernt. In Syrien sind die Tage z.B. derzeit fast zwei Stunden kürzer.
Wir jedenfalls, der Herr S. und ich und unsere Freunde, haben nach der nächtlichen Wasserflasche erstmal weitergeschlafen. Schön ausgeschlafen. Aber: Bereits am nächsten Morgen gegen 09:00 Uhr, kurz nach dem Aufstehen, kamen mir die ersten Zweifel, ob ich es bis zum Abend durchziehen kann: Denn mein gewohnter Griff neben das Bett zum Wasser fiel ja nun eben aus. Komplett. Genau wie unsere all-samstäglichen Kaffeegewohnheiten.
Erstaunlich schnell und erstaunlich plastisch wurde uns bewusst, wie oft wir irgendwas essen, trinken oder sonst wie in uns reinschaufeln. Ohne nachzudenken. Und insbesondere wie selbstverständlich: Der Griff zum Wasser neben dem Bett. Oder eben zum Kaffee. Der hübsch duftend köchelt, während wir Brötchen schmieren – und derweil noch die eine oder andere Erdbeere naschen. Oder Keks. Oder Kuchen. Oder halt eben nur ein simples Schlückchen Wasser. Nebenbei. Immer wieder. Immer dann, wenn der Sinn danach steht.
Gegen 16:00 Uhr habe ich dann echt mit mir gekämpft. Denn so langsam bekam ich Durst. Also richtig Durst. Nicht den von der Sorte: Trockene Kehle gepaart mit ein wenig Büro-Kopfschmerzen. Über den Punkt war ich längst hinaus. Sondern eben richtig Durst. Ein kurzer Gedanke an ein simples Glas Leitungswasser war für mich so einnehmend, dass ich um ein Haar nicht durchgehalten hätte. Ich musste flehentlich mit mir ringen. Engelchen und Teufelchen mehrfach durchspielen – mit einem recht überzeugendem Teufel. Die Vorstellung, dass mir noch weitere 6 (!) Stunden bevorstehen, hat mich – mal sparsam ausgedrückt – durchaus entmutigt. Genau genommen kam es mir schlichtum unmöglich vor, mich noch so lange in Schach halten zu können.
Ich schrieb also den Herren unserer Ramadan-Experten-Crew, dass sich bei mir nun langsam aber sicher das erhärtende Gefühl einstellt, die Limo im Kühlschrank spricht zu mir, ruft mich ganz leise, sanft aber bestimmt zu sich. Beschwörend. Und bekam als Antwort ein Meer lachender Smilies – sowie den dezenten Hinweis: „It’s too early…. that comes later.“ – Ähm. Ja. Hust!!
Ich habe es dann erstmal mit Ablenkung probiert – und aufgeräumt. Dinge durch die Wohnung von A nach B nach A getragen. Bin umhergetigert. Und am Ende konnte ich doch wieder nur an das Eine denken. Habe mich darin versucht die Abhängigkeit von Geist und Materie durchzuphilosophieren. Und musste dabei rund 8 Mal an Sheldon Cooper denken, der zu gern der Gebieter über seine Blase wäre. Den Kampf aber nunmal verlor. Ein simples Bedürfnisse das hochtrainierte Gehirn aus dem Handgelenk heraus schlug.
Ohne Luft überleben wir bekanntlich nur wenige Minuten, ohne Wasser wenige Tage und ohne Essen mehrere Wochen. Eine gewisse, durchaus dringliche Abhängigkeit von den Ressourcen in unserer unmittelbaren Umgebung ist also nicht von der Hand zu weisen – auch wenn wir mit der Welt ja leider oftmals wie mit einem alten Lappen umgehen, der schon irgendwie durchhält. Egal wie lange. Egal was.
Der Herr S. wiederum hat es mit Dopamin versucht: Und dem Tag mit einem neuen Computerspiel getrotzt. Irgendwie. Jedenfalls. Wie auch immer haben wir durchgehalten. Beide. Wohoo! Gegen halb acht sind wir dann aufgebrochen – zum gemeinsamen Fastenbrechen. Als wir eintrudelten, waren die drei Herren wild am Kochen. Und wir der Prognose „The first timers like you will turn to zombies before the sun sets“ durchaus erstaunlich nah. Doch für den Herr S. kam es noch härter: Denn er sah sich nun seinem persönlichen und ultimativen Endgegner gegenüber: Weitere 1,5 Stunden auf einem Stuhl – mit direktem Blick in die Küche. Mir wiederum war zwar langsam durchaus schummrig zumute, aber die Tatsache, dass es nun absehbar war, machte mir die letzten 1,5 Stunden einigermaßen leicht.
Es gab ein komplett vegetarisches Essen. <3
Bestehend aus „Haraa Esbaaou“ – so jedenfalls wird es in etwa ausgesprochen. Ergoogelt habe ich aber noch folgende Schreibweise: Harak Issbaou. Es handelte sich jedenfalls um Linsen und Pasta mit angebratenen Zwiebeln in Zitronensaft. Oben drauf: Granatapfelkerne, frischer Koriander und frittiertes Fladenbrot. Die Kombi aus den deftigen Zwiebel-Linsen und den Granatapfelkernen mit Koriander fand ich mega-lecker!
Dazu gab es Börek, Bulgur mit toll gewürztem Gemüse und oben drauf noch mehr Gemüse zum Knabbern. Zum Nachtisch dann jede Menge Obst. Die saftige Süße habe ich noch nie so sehr zu schätzen gewusst, wie an diesem Abend.
Und nun: Für all diejenigen geplagten unter euch, die im Hause eines Foodbloggers wohnen, die alldieweil am Tisch sitzen, nicht zulangen dürfen, warten müssen, bis das ultimative Foto geschossen wurde. Bis für das Blog alles so festgehalten wurde, dass es sich verbloggen lässt. An all jene Leidgeplagten: Ihr hättet mal das Gesicht von dem Herrn S. sehen sollen, als nicht nur ich mit meinem Handy drumrum fotografiert habe, sondern folgender Satz von seiten der Köche kam: „I know you are hungry…. but….ahhh…. just a minute.“
Traditionell wird das Fasten allabendlich mit einer Dattel und einem Glas Wasser oder Milch gebrochen. Das mit der Dattel haben wir auch gemacht – aber bei uns gab es dazu Limo. Jener habe ich so was von entgegengefiebert. Aber hey: Der Vorteil an meinem mittlerweile doch recht cholerischen Durst war, dass ich den Hunger schlicht nicht gemerkt habe.
Fazit: Hut ab vor allen, die das einen ganzen Monat lang durchziehen! Und dabei ihren Alltag, ihre Arbeit, Studium, Leben trotzdem meistern. Schon der zweite Ramadan-Tag sei zwar wesentlich leichter als der erste. So die einstimmige Meinung aller, die ich dazu befragt habe, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich einen Tag im Büro überstehen könnte.
Beim Ramadan geht es nicht nur darum sich im radikalen Verzicht zu üben, sondern eben auch darum das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie viele Menschen auf der Welt in Not leben. Der Ramadan ist eine der fünf Säulen des Islams – die Almosensteuer (Zakāt) eine weitere: Danach sollen alle Muslime (je nach Auslegung) 2,5% bis 10% ihres Einkommens grundsätzlich, immer und jeden Monat an Bedürftige spenden. Am Ende des Ramadans wird nochmals gespendet. Zusätzlich.
Zu spüren, was Hunger und Durst bedeuten – aber auch zu spüren, sich seinem Willen zu stellen: Darum geht es. Als Menschheit zusammenzurücken – und sich auf das Wesentliche zu besinnen.