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Ihr entschuldigt meine lange Abwesenheit:
Ich habe mich unterhalten.

Eigentlich wollte ich nur beim Deutschlernen helfen. So der Plan. Irgendwie. Zumindest halt ein Bisschen. Keine große Sache. Aber nachdem wir „Wie heißt du“ und „Wie ist das Wetter“ hinreichend geklärt hatten, kamen andere Themen: [-> Auf Englisch]. Dies. Das. Kaffeegewohnheiten. Bücher. Bilder. Musik. Kunst. Vor allem Kunst. Und Politik. Mit Hochspannung haben wir uns Dinge gezeigt. Sie verstanden – oder eben nicht. Haben ein ganzes Heer von Fragezeichen ausgetauscht. Und genauso viel „Yeees! – genau das!“

Ja. Und genau dann, in diesen Momenten, der sich verflechtenden Freundschaft, wenn alles irgendwie leicht erscheint und sich menschliche Grenzen wie Wasserfarben auflösen: Dann fließt die Realität des Krieges ohne jedweden Damm. Ohne den Schleier einer anonymen Masse. Erlebnisse und Fotos zu denen mir nicht mehr als ein flüsterndes „ja“ eingefallen ist. Sie prügeln tiefe Kerben in sämtlich alle Gedanken. Verändern tatsächlich alles. Erschüttern.

Welt-Geschehnisse, die ich selbstredend kenne. Auch die Bilder. Alle Bilder. Sie rasen jeden Tag durch die Medien. – Aber nicht durch meinen Freundeskreis. Bisher. – (Be)trafen mich „nur“ als Teil einer Gesellschaft, als unerbittliche Frage, wer wir in dieser Welt sein wollen. Wie wir weiterhin auf das Selbstbild einer humanistischen Gesellschaft bestehen können, während wir sehenden Auges Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen. Zu 1000. Diese Bilder haben mich schon bis zur Verzweiflung debattieren lassen. In meiner Realität, in Distanz – in unser Debattenwelt. In Sicherheit. Irgendwann fast selbst glaubend, es wäre ein riesiger Kraftakt diese Menschen wenigstens nur zu retten. Dass es ein solch komplex verworrenes Problem wäre. Dabei geht es im Verhältnis der Weltlogik um wirklich wenig Geld. Und die Aufnahme von Geflüchteten löst hier auch nicht die Sozialsysteme auf. Die Butter wird nicht teurer und die Weltwirtschaft bekommt nicht einmal kurz Schluckauf.

Kurzum hier in Deutschland gibt es keine Krise. Es ist zynisch und abstoßend nazistisch dies anzunehmen. Die Krise befindet sich dort wo der Krieg ist. Dort wo die Menschen jeden Tag hungern und sterben. Dort wo alles, aber auch wirklich alles zerstört ist.

Und ich frage mich, was das ist? Wie sind wir dazu gekommen, in Problem-Kategorien zu denken, die realistisch betrachtet, schlicht und ergreifend the daily work of Politik sind? Die lösbar sind. Wann wurde verlernt relevant zu denken? Wann war der Punkt, an dem hier einige dem Wahn verfallen sind, aus lösbaren politischen Aufgaben, wie die Aufnahme von Geflüchteten, Probleme epischen Ausmaßes zu eskalieren? Krisen werden so lange herbeigebetet, bis es sie tatsächlich gibt. Krisen werden nicht mehr durch Realität, sondern durch Meinungen definiert. Ein wenig, wie ein Börsencrash, der nichts mit der tatsächlichen Gesundheit gehandelter Unternehmen zu tun hat, sondern sich selbst füttert, sobald eine hinreichend große Masse an Aktien abgestoßen wurde – bis hin zur tatsächlichen Krise. Krisen als selbsterfüllende Prophezeiung.

Die Äußerungen der AfD, Menschen an den deutschen Grenzen erschießen zu lassen, kommen mir so absurd vor, dass mir ein Verhaltensrepertoire dazu fehlt. Sie zeugen von tiefer Boshaftigkeit, von einer hässlichen Persönlichkeit. Und von einer Persönlichkeit, die dem nazistischen Wahn verfallen ist, es gäbe ein Problem von derart gigantischem Ausmaß, dass Opfer unabwendbar seien. Dass Entscheidungen getroffen werden müssen – und zwar von ihm/ ihr höchstselbst. Und: Das. Stimmt. Schlicht. Nicht. Es gibt eine große Aufgabe, aber kein unlösbares Problem – welches auch nur ein kleines Bisschen rechtfertigt sämtliche Verfassungsgrundsätze panisch über Bord zu werfen. Den nationalen Notstand auszurufen. Europa aufzulösen.

Ich weiß, wirklich und ehrlich nicht, was nun zu tun ist. Teile Apelle zum Aufstand der Anständigen. Twittere. Manchmal. Nachts. Schaue mir entsetzt Papp-Panzer auf Karnevalsumzügen an. Like still Kommentare des Aufschreis. Schreibe mitunter auch selbst etwas. Und merke vor allem eins: Ich bin nicht vorbereitet. Ich habe keine Ahnung, wie ich auf eine derart offene Gewaltandrohung reagieren soll. Wie ich mit Menschen umgehen soll, die eskalieren, weil sie eskalieren wollen. Weil sie sich das Gefühl der eigenen Welt-Relevanz so sehr herbeisehnen, dass sie ausnahmslos alles dafür sagen und tun würden. Die eigene Person um jeden Preis erheben wollen. Die Nazi-Klimax quasi ungehindert immer weiter hinaufhassen.

Und. Derweil google ich jeden Morgen, jede Nacht vor dem Schlafengehen, ob und wo eine Unterkunft brennt. In Sorge um einen Freund. Ich fühle Resignation.

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Ich möchte an dieser Stelle eine Doku in der WDR-Mediathek empfehlen:
My Escape

Geocaching_Hobby

Geocaching. Neues Jahr – neues Hobby

So. Ich hoffe ihr seid gut durch all die Weihnachts- und Silvsterfeiereien hindurchgesegelt. Hockt nun rund und munter mitten im ersten Wochenende des neuen Jahres! <3

Nach dem wohlwahrscheinlich üblichen Jahresendstress verliefen meine Feiertage recht durchentspannt. In Kürze zusammengefasst: Arbeiten, arbeiten, arbeiten. Zugfahren. Lingen. 3x Weihnachten. 1x alte Freunde treffen. Höllenkater. Geocachen. Salzgitter & Verwandtschaft. Zurück nach Bremen. 3 Tage krank. Die väterliche Erkältung brav weitergetragen. Bett. Schnupfen. Harte Männergrippe. Dann: Silvester. Geocachen. Geocachen. Geocachen.

Im heimatlichen Lingen, inmitten im tiefsten Emsland, gleich neben den Niederlanden. Da und an dem Ort, an dem ich bis zum Abi gelebt habe, hat mich ein neues Hobby gepackt. Oder besser gesagt gelockt. Denn meine Schwester kam ganz beiläufig damit um die Ecke. Sie gehörte nämlich bereits zum Kreis der Eingeweihten. Zum Schlag der verrucht-heimeligen Abenteurer. Sie disponierte also um. Und statt des alljährlich schnöden Weihnachtsspaziergangs begaben wir uns auf Schatzsuche. Im Lingener Wald. Entlang diverser tiefbekannter Steine, Bäume, Hügel. Kurz: Es war aufregend!

Aber. Mein erster: Nun. Der wollte nicht so recht. Namentlich „Schutzhütte im Lingener Wald“. Die Hütte haben wir natürlich schon gefunden. Sie ist nicht wirklich zu übersehen. Der Cache hingegen schon. Ein tragisches erstes Mal. Mit dem zweiten, der „Alten Liebe“ hat es dann aber geklappt. Natürlich. Ein alter urschöner Baum, ein bedeutungsschwangerer Name – ich könnte mir keinen Besseren für den ersten Cache ausdenken. Gut. Gefunden hat das tolle Stück meine Schwester. Immerhin: Fortan flutschte es: Wir fanden noch zwei weitere, bevor wir uns wieder in die Arme der heimischen Sofalandschaft begaben.

 App_Geocachen

Nun. Und was soll ich sagen, seither. Brenne ich! – Und der Herr S. gleich mit. Ihm blieb gewissermaßen auch nichts anderes übrig. Denn zu Hause in Bremen haben wir sogleich (also nach meiner harten Männergrippe) losgelegt. Gesucht. Gefunden. Manchmal nicht gefunden. Weitergesucht. Verzweifelt.

Gestern jedenfalls, da standen wir inmitten des Bremer Schnoors, nebst Kirche. Schlichen umher. Suchten. Krämten Geheimnisse. Und da: Der Herr S. erhaschte schließlich im Augenwinkel das Döschen. Doch. Wir. Kamen. Nicht. Zum. Zug. Mussten warten und beiläufig in unseren Handys daddeln. Telefonierten hochwichtig umher. Denn: Überall Muggels. Nicht-Geocacher. Ja! In diesem Zusammenhang eine doch recht treffende Umzeichnung – wie ich festgestellt habe: Denn man tüdelt sich halt entlang diverser oddly Orte, entlang Laternenpfeiler, Stromkästen oder Mauerritzen. Vollends frei von jedweder externer Logik. Hantiert, fummelt, schiebt irgendwas irgendwie entlang. Greift irrwitzig zielstrebig irgendwo hinein. In die Löcher der Stadt. – Und zerrt schließlich aus Gleis 9 3/4 ein Döschen. Hält es in den Händen. Freut sich – und schleicht voller Geheimnis damit ins nächste Eck – sich ins Logbuch eintragen, um den Cache dann erneut komisch schleichend, jedwedes Publikum abwartend, zurückzulegen. Ein Tanz. Ein richtig schöner – sogar.

Noch verrückender wird es, wenn – wie vorgestern – mehrere Geocacher gleichzeitig an einem Ort suchen: Langsam verzweifelnd lässig warten. Bis die Luft rein ist. Bis das kleine Mädchen am kleinen Ententeich zu Ende jede Ente persönlich angesungen hat. Bis sie genug davon hatte am Ufer entlang zu spielen – und mit ihrer Mutter von dannen zog. Bis sämtlich alle Spaziergänger nebst Hund außer Sichtweite waren.

….Und dann erst das echte Kräftezerren begann: Der Herr S. und ich auf der Bank. Ein weiterer Mitspieler über sein Rand gelehnt. So vermuteten wir jedenfalls. Wir warfen ihm verschwörerische Blicke zu. Er uns auch. Vielleicht. So sicher waren wir uns nicht. Schlichen also nur mäßig suchend an den Hecken entlang. Immer im Move pfeifend ab zu gehen. Lasen zwischendurch auf einer Anzeigetafel, schwirrten mit den Augen umher. Und: Gaben uns schließlich geschlagen. Der Herr mit dem Rad – er gewann. Der Herr S. und ich zogen ab. Schauten wenig später im Online-Logbuch nach – und siehe da: Er hat es geschafft. Hat eine menschenleere Lücke gefunden. Wir nicht. Nun ja.

Dafür aber heute. Denn heute sind wir nochmal dorthin zurückgekehrt. Trotz Schneegestöber – selbstverständlich. Und nebst Cache haben wir sogar noch mehr gefunden: Unseren ersten Travelbug! Eine Münze, die zum Ziel hat von Cache zu Cache zu reisen. Und nun ist sie bei uns. Ein bisschen aufwärmen – ein bisschen Kraft tanken. Bis wir sie anderswo auf die Weiterreise schicken.

Travelbug_Bremen

Geocachen_im_Winter

Geocaching für Anfänger – Was ihr braucht, um loszulegen:
>> Ein Profil auf geocaching.com (kostenlos)
>> Eine App (ich nutze (iPhone) vor allem L4C Lite – aber auch Geocaching intro. Der Herr S. und meine Schwester (Android) c:geo)
>> Sobald ihr einen Cache gefunden habt, schreibt euren Nick + Datum ins Logbuch. Zusätzlich könnt ihr euch auch online via App loggen. Schreibt ein paar nette Zeilen an denjenigen, der den Cache versteckt hat.
>> Ganz wichtig: Nicht Spoilern! Weder im (Online)Logbuch noch via Fotos vom genauen Fundort.

Dann kann es im Grunde schon losgehen. Ein paar Grundregeln solltet ihr jedoch unbedingt außerdem beachten:
>> Niemanden stören. Weder Anwohner noch Tiere und Pflanzen.
>> Den Cache auf jeden Fall wieder zurücklegen.
>> Manche Caches beinhalten neben einem Logbuch noch einen Schatz. Wenn ihr was rausnehmt, unbedingt wieder etwas Gleich- oder Höherwertiges reinlegen.

Weitere (Einsteiger)Tipps findet ihr u.a. hier:
>> geocaching.com
>> wikipedia

Prag_Grafitti

Alternatives Sightseeing in Prag

Ihr wisst ja: Der Herr S. und ich waren in Prag (so und hier). Sind nun jedoch (leider) schon wieder zurück zu Hause. Seit gut einer Woche sogar. Die Koffer sind bereits entpackt, die Postkarten angekommen und unser Glasfisch, unser Mitbringsel, ist von dem Herrn S. mit innerlichen LED’s ausgestattet worden. Kurzum: Der Alltag hat uns wieder. Längst und umfassend. Zeit also nochmal zurück zu blicken:

Der Herr S. und ich haben uns die Stadt höchstselbstverständlich angeschaut wie Touristen. Sightseeing – mit Reiseführer und Fotoapparat um den Hals. Mit Eintrittskarten, Rusalka im Nationaltheater, der Prager Burg, dem urschönen jüdischen Friedhof, Kringeln mit Schokocreme, der John-Lennon-Wall. Und Bildern. Vor der Karlsbrücke, auf der Karlsbrücke, hinter der Karlsbrücke:

Prag_Karlsbrücke

Aber wir wollten noch weiter. Mehr sehen. Quasi off-road unterwegs sein. Dort durch die Stadt streifen, wo sie ganz sie selbst sein kann. Weg von all den Dingen, die tagtäglich ihre beste Seite zeigen müssen, die stets auf Hochglanz getrimmt und gezähmt sind. Nun. Gar nicht so leicht – in einer uns unbekannten Stadt.

Das wiederrum hatten wohl auch die Initiatoren der alternativen Stadtführung Prag im Sinn und erdachten eine Tour einmal mitten hindurch – durch all jene Orte, Lebenswelten, Projekte und Geschichten, die sie auch ihren Freunden zeigen würden. Bei einem Besuch.

Wir trafen uns in der Stadtmitte. Erkennungszeichen – wild gepunkteter Regenschirm. Und wurden auch sogleich gefragt, was wir gerne sehen möchten – was uns ganz besonders interessiert. Wofür wir brennen. Und dann ging es auch direkt los. Erst zu Fuß und später mit der Metro in Stadtteile, die in unserem Reiseführer z.T. nicht einmal eine Randnotiz waren.

Prag Holešovice

Vorbei an einer kleinen Galerie, die allabendlich zum Club wird, ging es zu einem kleinen unscheinbaren Lädchen: Das einst Dreh- und Angelpunkt in Sachen Beschaffung von Westprodukten war. Heute jedoch nur noch ein Sammelsurium von Damals-Produkten in der Auslage hat.

Die Stadtführung begann mit vielen persönlich-historischen Details zur Stadt und den Menschen in ihr. Über reiche Russen und immer weiter an den Stadtrand verdrängte Ur-Prager. Touristen. Und die massiv-provokanten überall in Prag zu findenden Skulpturen von David Černý.

Wir gingen der Frage nach, warum Michael Jackson mehr als nur Pop für Prag bedeutete und warum sich die Stadtverwaltung kurz nach Zusammenbruch der Sowjetunion gar dazu hinreißen ließ, die Aufstellung einer monumentalen Jackson-Figur gut zu heißen. – Und zwar: Auf eben jenem Sockel, auf dem Stalin noch kurz zuvor sein Denkmal für alle Zeiten haben sollte.

Wir machten uns zu Fuß in das an der Moldau gelegene und mit Gentrifizierung zu kämpfende Stadtviertel Karlín. Viele alternative Projekte und bezahlbarer Wohnraum ist dort nach dem Jahrhunderthochwasser 2002 und den damit einhergehenden Grundrenovierungen verschwunden. Auf dem Weg dorthin ging es quer durch für Graffiti freigegebene Brückenwände. Einige waren gerade erst beendet. Wie das von ChemiS, als Reaktion auf die fürchterlichen Anschläge in Paris.

Gaffiti Prag Paris ChemiS

Von dort ging es runter in die Metro, Richtung Holešovice. Und ebenda fanden wir uns auch sogleich an einem paradiesischen Ort für den Herrn S. wieder: Im Paralelní Polis – dem Zentrum für Cryptoanarchy – mit 3D-Druckern, Öko-Schreibtischen und -Regalen aus Pappe sowie Kaffee. Selbstredend. Nicht irgendein Kaffee, sondern einer, der ausschließlich mit Bitcoins bezahlt werden kann. Wer keine hat, kann welche tauschen – bzw. ein Irgendwas-tel eines Bitcoins. Denn die virtuelle Währung ist ja bekanntlich mittlerweile dermaßen viel Wert, dass nicht wenige kluge Käufer virtuelle und/ oder sogar tatsächliche Millionäre damit geworden sind.

In eben jenem Zentrum für Cryptoanarchy sieht sich auch die tschechische berühmt-berüchtigte Hackergruppe Ztohoven zu Hause. Sie tauschte beispielsweise die Leuchtreklamen der Prager U-Bahn gegen große schwarze Fragezeichen auf weißem Hintergrund aus. Kurz danach wechselten einige Mitglieder mithilfe von Morphing-Software untereinander die Identitäten. Sie beantragten neue Pässe im Namen des jeweils anderen. Lebten, reisten, wählten – ja heirateten sogar unter diesen Identitäten. Große Aufmerksamkeit erlangte die Gruppe auch mit ihrer „Moral Reform – A parliamentary drama of 223 persons and 585 lines“. Während einer Parlamentsdebatte hackten sie sich in die Handys diverser Politiker und feuerten mit SMS um sich. Von Oppositionsführern zu Regierungsvertretern und andersherum: „Let’s overtake controll! Let’s separate politics from business. Let’s support Moral Reform“ oder „I know we never write to each other but the right time has come. I am trough with all that lies and fights!“ (Alle gesendeten SMS könnt ihr hier nachlesen).

ParalelniPolisPrag

Vorbei an einem Urban Gardening Projekt, kleinen Theatern, Clubs und Kinos sind wir schließlich zu einer Galerie gekommen, die ich euch wärmstens ans Herz legen möchte: Das Dox. Während der Führung haben wir sie nur von außen gesehen, sind aber am nächsten Tag nochmal wieder gekommen, um uns die Ausstellung in Ruhe ansehen zu können. Die Ausstellungen wechseln alle paar Monate. „Brave new World“ ist dort noch bis zum 25.01.2016 zu sehen:

Riesige, übermächtige Figuren diverser Diktatoren des 20. Jahrhunderts begrüßten uns – und entließen uns in eine Wand Bildschirme – voller Werbung um Werbung: Flimmern, preisen und locken. Daneben ein goldener Einkaufwagen. Oben an der Decke war ein riesiges Tunnelgebilde aus Plastikfolie gespannt. Wer sich traute, konnte durch das milchige enge Netz aus Plastik kriechen.

Dox Prag Ausstellung

Dox_Installation

Dox_Ausstellung_2015

Am Ende der Führung haben wir gemeinsam im Crossclub gegessen – und selbstredend getrunken. Das Kultur-Zentrum besteht neben Club im Keller (ab 20:00 Uhr geöffnet) und Restaurant im Obergeschoss – auch aus kleinen Bühnen und Ateliers. Die Inneneinrichtung besteht zu einem nicht gerade unerheblichen Teil aus alten Busteilen und anderem Sowjet-Metallschrott. Wie z.B. die Uhr vor dem Club – als Anlehnung an die berühmte Astronomische Uhr auf dem Prager Marktplatz (links).

CrossClub_AstronomischeUhr_Prag

Crossclub Bar in Prag

Geführt wurden wir von der Filmemacherin Sany (hier ihr neustes Projekt), die individuell auf unsere Fragen eingegangen ist – und uns nach der Tour noch mit jede Menge weiterer Tipps versorgt hat. Ob Kunst, Essen, Bier, Club oder Flohmarkt – je nach Gusto und Stimmung. Obendrauf wurde uns noch die kostenfreie App Use-IT empfohlen (derzeit nur für das iPhone verfügbar). Neben Prag sind dort noch weitere europäische Metropolen vertreten. Die Sehenswürdigkeiten, Restaurant- und Kneipenauswahl wurde jeweils von Menschen vor Ort getroffen. Allesamt Empfehlungen, die man umgehend auch an seine Freunde weitergeben würde – so die Idee.

Mithilfe eben jener dieser App, haben der Herr S. und ich noch am gleichen Abend eine hervorragende Bar ausgemacht. Eine, die ihr nicht missen solltet: Solltet ihr auf Craft-Bier stehen – oder aber auf Ausblicke. Wenn ihr, wie der Herr S. und ich, auf beides heiß seid, dann geratet ihr in wahre Verzückungen. Wenn auch der Weg dorthin etwas unscheinbar ist: Ihr fahrt einen ranzigen, recht unschönen Fahrstuhl bis ganz nach oben. Ein bisschen wie aus einem Harry Potter Buch. Dann seid ihr da. Im T-Anker. Ganz oben, ganz zentral, gleich und ganz auf riesiger Dachterrasse.

Ausblick Prag Altstadt T-Anker

Die Stadtführung hat insgesamt rund 4 Stunden gedauert – vier Stunden voller Ideen, Projekte, Nebenstraßen und spannenden Randnotizen. Und: Sanys Flohmarkttipp für den Samstag haben wir uns außerdem nicht entgehen lassen. Dazu aber demnächst mehr!

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Alle meine Pragberichte findet ihr hier:
Und los – mit dem Bus nach Prag
Wandern im Scharka-Tal

Markierungen Wanderweg

Prag – Wandern im Šárka-Tal

Es ist schon Halbzeit in Sachen Pragurlaub. – Wir haben schon viel gesehen, erlebt, gemacht. Wie am Montag zum Beispiel: Denn da war das Wetter dermaßen hervorragend, dass wir beschlossen haben wandern zu gehen. Und zwar quasi vor der Haustür. Hier in Prag. Jedenfalls fast: Vor den Toren der Stadt. Denn nämlich genau dort liegt das Naturschutzgebiet wilde Scharka – oder übersetzt Divoká Šárka.

Es ist eigentlich kein Problem vom Stadtzentrum dorthin zu gelangen. In einer guten halben Stunde seid ihr da: Ihr müsst nur in die 5 oder 26 steigen und stumpf bis zur Endhaltestelle fahren (in die richtige Richtung – selbstredend), die praktischerweise auch eben so heißt, wie der Ort zu dem ihr wollt: Divoká Šárka.

Von dort geht es auch gleich los: Hinter dem deutlich sichtbaren (30 Meter entfernten) McDonalds beginnt der Wanderweg. Ihr könnt also sogleich eintauchen in das Šárka-Tal. Ob ihr für diesen Zweck die Treppen durch das Dickicht oder die Straße nehmt, ist vollends egal: Ihr kommt am selben Punkt raus. Nämlich einige Meter weiter unten.

Von dort könnt ihr dann einfach den Wanderweg-Markierungen folgen. Oder eben auch nicht. Denn so richtig viel haben diese offenbar nicht zu bedeuten. Außer: „Ja. Das ist ein Wanderweg.“ á la Magrittes „Ceci (n’est) pas une pipe“. Einer von vielen. Einer von vielen unterschiedlichen Routen. Wegen. Möglichkeiten.

Wilde Scharka

Deswegen haben der Herr S. und ich uns entschieden einfach mal drauf loszuwandern. Denn wirklich verlaufen kann man sich nicht. Durch das Scharka-Tal mit dem Flusslauf auf der einen Seite und Prag (z.T. immer mal wieder sichtbar) auf der anderen Seite, kann man sich stets recht eindeutig orientieren.

Zu Beginn der Wanderung läuft man durch hohe eindrucksvolle Felsformationen. Gleich darauf folgt dann die Entscheidung: Erstmal weiter durch das Tal, der kleinen Straße folgen – oder sogleich hinauf einen kleinen Wanderweg entlang durch den Wald. Wir haben uns für letzteres entschieden. Sind also erstmal durch die böhmischen Wälder hinaufgestiegen – um dann auf dem Rückweg durch das Scharka-Tal zu laufen. Die Selbe Strecke zurück muss man also nicht erneut laufen.

Wanderung Divoka Sarka

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Unten im Tal befinden sich mehrere Gaststädten und kleine Biergärten. Alte verlassene und nicht verlassene Bauernhöfe säumen den Flusslauf – aber auch vereinzelt kleine Anwesen. Sowie ein Natur-Freibad. In dessen Genuss der Herr S. und ich uns angesichts des Novembers nun nicht begeben haben. Im Sommer ist das allerdings bestimmt eine hervorragende Möglichkeit, um auf halber Strecke ein wenig vor sich hin zu pausieren.

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Herr S. wandern

Wanderen wilde sarka

Insgesamt waren wir rund 3 Stunden unterwegs. Rein wegtechnisch hätten wir hier und da noch anders abbiegen und so sicherlich noch gut 2 Stunden dranhängen können. (<- Für die unkaputtbaren unter euch).

Fazit: Schön war es im Šárka-Tal. Ruhig. Sonnig. Düster. Böhmisch. Und wie in einem tschechischen Märchenfilm: Wild romantisch und irgendwie voller goldener Sehnsucht.

Prags Vorzeigekomponist (einer von vielen – selbstredend) Bedřich (Friedrich) Smetana hat die Schönheit der Dovoká Šárka in seinen berühmten 6-teiligen-Zyklus „Má vlast“ leider nicht vertont. Auch wenn der III. Teil den Namen „Šárka“ trägt und ich ihn heute bereits einige Male in wilder Überzeugung es ginge um eben jene Landschaft gehört habe. Dort jedoch geht es nuneinmal um eine gleichnamige Amazonenkönigin, die der Männerwelt Rache schwört: Klick. Aber nun.