Wirklich dabei bin ich schon längst nicht mehr. Nicht erst seit dem heutigen Bremer Landesparteitag der Piraten. – Aber bisher war ich irgendwie auch nicht ganz draußen. Völlig abgeschlossen hatte ich mit den Piraten (noch) nicht: Sie stets gewählt, gemocht und für wichtig empfunden. Bis neulich.
Mit dem neuen Kurs der Piraten, der insbesondere seit dem Bundesparteitag in Halle vor einigen Monaten und mit der dortigen Wahl des neuen Bundesvorstandes, zementiert wurde, ging’s für mich nicht mehr. Auch wenn ich, wie gesagt, schon damals nicht mehr wirklich dabei war: Habe alles nur noch am Rande verfolgt; Mal hier und dort ein bisserl was auf Twitter überflogen, drei-vier Blogartikel gelesen und es mir nicht entgehen lassen, den unfassbaren Kindergarten anzusehen, welcher Christopher Lauer erst das Mikro abgedreht und dann aus peinlich-bürokratischen Gründen die Kandidatur aberkannt hat. Tja. Dann ging das Mikro wieder, dann wieder nicht. Es wurde hin und her geworfen. Schweinchen in der Mitte gespielt: Wer den Regler hat, hat die Macht. Es war traurig. Vor allem vor dem Hintergrund, wer so alles nicht unterbrochen wird auf solchen Parteitagen.
Jetzt hat die Piratenpartei einen Bundesvorstand, der hauptsächlich aus Menschen besteht, die unter dem Deckmantel, sich auf Kernthemen konzentrieren zu wollen, alle diskreditiert, die ihnen nicht passen. Und das ist die schöne Umschreibung dessen, was sie tun. Aus diesem Lager hagelt es von Beleidigungen bis hin zu Androhungen von körperlicher Gewalt so ziemlich alles, gegen so ziemlich jeden, der bzw. die es wagt, diesen Kurs in Fragen zu stellen – und eine klare linke Positionierung der Piratenpartei einzufordern.
Denn: Es gibt innerhalb der Piratenpartei keinen klaren Konsens (mehr) sich als antifaschistisch zu bezeichnen. Und damit bin ich persönlich raus. Denn das ist für mich die Grundvoraussetzung dafür, dass ich mich einer politischen Gruppierung anschließe. – Und im Übrigen auch dafür, auch nur daran zu denken sie zu wählen.
An dieser Stelle sei, für die noch weniger als ich im Kreis der Eingeweihten weilenden Menschen, mal kurz der Flügelstreit zusammengefasst. Aus meiner vollends subjektiven Sicht – selbstverständlich: Es gibt einen Teil, der immer wieder wild um sich kreischt, dass es verdammt noch mal verdammt wichtig ist, sich auf die Kernthemen zu konzentrieren. Welche da wären: Transparenz & Netzpolitik. Und alles andere sollte nicht an die große Glocke gehangen werden, denn (Zitat aus dem Gedächtnis vom heutigen Landesparteitag der Bremer Piraten): „Die Dosis macht das Gift“ und „Man sollte sich, um falsche Signale zu vermeiden, nach außen hin nicht mit der Antifa gleichsetzen.“ Neben Antifaschismus ist übrigens Feminismus in einem ähnlichen emotionalen Ausmaß DAS Aufregerthema schlechthin.
Was ich dabei allerdings noch nie wirklich verstanden habe, ist: Was eigentlich genau irgendwen in dieser Partei daran hindert, an diesen berühmten Kernthemen zu arbeiten, wenn er oder sie sich gleichzeitig als antifaschistisch bezeichnet? Für mich lässt sich das nur auf eine einzige sehr simple Weise verstehen: Jemand möchte sich schlicht nicht als antifaschistisch bezeichnen. Punkt. Die Gründe können unterschiedlich sein, bedeuten aber in der Konsequenz ausnahmslos alle, dass diversen Menschen ihre Gründe wichtiger sind, als die glasklare Positionierung gegen Rechts. Nicht mehr und nicht weniger.
Und: Damit bin ich raus. Jeden Zank, die vielen hochnotpeinlichen Aktionen und all die Tanklaster voller Popcorn waren okay für mich. Irgendwie. Oder zumindest habe ich trotzdem noch so halbwegs an die Idee geglaubt. Aber ohne genau diesen einen Nenner geht’s für mich nicht.
Nun gut. Jedenfalls und anhand dieser „Sachen“ ist die komplette Partei in den letzten Monaten immer weiter eskaliert. Derweil gab es ausnahmslos alles und in jedem denkbaren Spektrum des Niveaus. Und ja, es gab auch jene schon angesprochenen Drohungen. Außerdem den Wunsch nach Abspaltung.
Jüngst hat nun der neuer Bundesvorstand Christopher Lauer eine Ordungsmaßnahme angehängt, die alles zwischen faktisch verdreht, falsch, ungerecht und peinlich ist. Aber vor allem ging es vermutlich darum, ein Exempel zu statuieren: Was mit Leuten passiert, die nicht auf Linie sind. Als unmittelbare Reaktion darauf hat der (seit heute ehemalige) Vorstand der Bremer Piraten gestern Abend einstimmig beschlossen, dem Bundesvorstand ein Hausverbot für den heute stattfindenden Bremer Landesparteitag auszusprechen, was eben jener ziemlich genau sofort durch’s Internet gepustet hat. Kann man machen, muss man nicht, aber nun: Um ehrlich zu sein: Ich bin da ganz bei euch. Ihr Menschen vom Bremer Ex-Landesvorstand. ;)
Jedenfalls und um uns das Popcorn mal aus der Nähe anzusehen, waren der Herr S. und ich heute Morgen mal kurz da: Beim Landesparteitag. Und es war ganz genauso, wie erwartet. Aber natürlich auch irgendwie schön, denn innerhalb der Piraten habe ich nach wie vor einige Freunde und Freundinnen, die ich völlig egal wann und wo gerne treffe.
Nun denn. Tagesfazit: Bis auf einige wenige sind die letzten Reste des sogenannten „Linken Flügels“ heute oder gestern recht geschlossen ausgetreten. Eine Person wurde des Saales verwiesen. Aus Fotos von Menschen, die ich sehr mag, wurden Bilder gebastelt und durch’s Internet geblasen. Die Maillingliste ist bestimmt schlimm, aber die lese ich erst gar nicht. Und wer sich ein Teil des Elends auf Twitter ansehen möchte: Hier entlang.
Die Versammlung ist nun unterbrochen. Morgen reist der Bundesvorstand an (oder auch nicht) und tut dann was auch immer er dann für nötig gedenkt zu tun – aber das ist mir herzlich egal. Die Piraten sind für mich mit dem heutigen Tag endgültig Geschichte.
Adjeu! Bye, Bye! R.I.P!
Und sonst?
Möchte ich noch einstreuen, dass ich überzeugt davon bin, dass man dem momentanen gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck nicht auch nur ein kleines Bisschen damit begegnen sollte, „linke Vokabeln & Attitüden“ und/ oder Politikstrukturen „den Verhältnissen“ anzupassen, sondern ganz im Gegenteil Menschen schützen und unterstützen sollte, die dafür Sorge tragen, dass diese Ideen weiterhin einen Platz in der Gesellschaft halten können. Bedingungslos. Egal wo und wie.
Ich finde an dem ganzen AfD-Geschwafel im Übrigen ganz besonders paradox, dass die Leute, die sich zu dieser Art von Politik hingezogen fühlen, sich gleichzeitig permanent benachteiligt und/ oder übergangen fühlen. Ungerechtigkeit lässt sich aber nunmal nicht auflösen, indem man Strukturen schafft, wünscht oder herbeistänkert, die eine Seite (egal welche) bevorteilt.
Durch den konsequenten (auch finanziellen) Abbau von sozialen, kulturellen und lebensverschönerenden Strukturen der Regierungs-Parteien in den letzten Jahren, wurde meiner Meinung nach Tür und Tor für dieses ganze Heer an wütenden Menschen geöffnet, die nun ihren Unmut darin kanalisieren, indem sie Strukturen fordern, die es für alle (noch) ungerechter macht.
Der Abbau von Sozialsystemen macht Menschen unsozial.