Einige von euch wissen es vielleicht schon: Ich ziehe um. Zumindest offiziell. Faktisch ändert sich nicht viel: Ich löse meine Wohnung auf und wohne weiterhin dort, wo ich das letzte halbe Jahr sowieso schon gewohnt habe – nämlich beim Herrn S.
Und für diesen Umzug habe bzw. hatte ich exakt drei Monate Zeit: Denn an meiner 3monatige Kündigungsfrist ließ sich keine Sekunde rütteln. Was wiederum zur direkten Folge hatte, dass ich in den letzten zwei-1/2 Monaten nicht sonderlich viele Finger gerührt habe: So dass mir jetzt ein stressiger halber bleibt. Alles wie immer – also.
Am Wochenende, nach den besprochenen Wochen der Prokrastination, wirbelten der Herr S. und ich quer durch meine Wohnung. – Und den Keller. Genau diese Art von Keller, der seit Einzug konsequent als Schwarzes Loch imaginiert wurde und mich in entrücktes Erstaunen versetzte: Es war noch allsämtlich alles genau dort, wo ich es in den letzten Jahren abgeladen hatte. Alles ruhte sicher bis unter die Decke gestapelt vor sich hin. Ein alter Mini-Backofen und Fernseher (2x), Holzbalken und Winkel vom alten Hochbett (wenn jemand will, meldet euch gerne!!), alte Drucker, volle Umzugskartons vom letzten Umzug, Boxen, Wasserkocher, CD’s – und Klamotten. Jede Menge an Unmengen Klamotten.
Nun. Ihr ahnt es schon: Problematischerweise kann ich mich nicht gut trennen. Von nix. Wirklich gar nix. Es war schlimm. Für uns beide. Der Herr S. und ich haben um jede alte Kinder- und VHS-Kassette gefeilscht; die allesamt in diesen Momenten wie die geballte Reinkarnation meiner Kindheit glitzerten. Sangen. Tanzten. Durch Blumenwiesen tollten. Schlimm. Meine alte, dunkelgrüne, extra hässliche Schultasche war mit einem Mal mindestens so wertvoll wie der sprechende Hut aus Harry Potter. Ja. Vor allem optisch war die Verwandtschaft nicht von der Hand zu weisen. Und trotzdem: Sie musste dran glauben. Der Mann zeigte keinerlei Gnade. R.I.P. Tasche! – Eine andere habe ich in einem akribisch vorbereiteten Moment seiner Unaufmerksamkeit, in einem der Umzugskartons verschwinden lassen. Aber sagt es ihm besser nicht, liebes Internet. Er wird böse.
Irgendwann ging es tatsächlich und mit vollem Transporter Richtung Mülldeponie im Bremer Blockland. Dort wird man ausnahmslos alles los – und das kostenlos. Man muss nur gut sortieren und nach drei Extrarunden durch den Container-Drive-In hat man das System auch voll drauf! Ja, kann sogar vor anderen hilf- und planlosen Besuchern mit Fachwissen glänzen.
Zurück in der alten Wohnung sollte es vollgepackt zur anderen Wohnung gehen. Alles war im noch für 2h gemieteten Groß-Auto. Die Klappe ging zu. Der Mann fuhr. Bis zur neuen Straße. Es lief. NICHT! Denn wir kamen nicht rein. Wurden schlichtweg nicht reingelassen. Der SV-Werder Bremen, vertreten durch einen älteren Herrn in Warnweste und einem Absperrgitter, entschied, dass wir dort nicht reinfahren. Gar nicht. Auch nicht kurz.
Ihr müsst wissen, dass bei jedem Heimspiel die Wohngebiete rund ums Stadion für Autos gesperrt werden: Um (welch Ironie) uns Anwohner davor zu schützen, dass ihre Straßen als öffentliche Parkplätze missbraucht werden. Die Anwohner – vorausgesetzt sie haben einen Passierschein – dürfen natürlich trotzdem reinfahren. Also theoretisch. Wenn es dem jeweiligen Despoten des Absperrgitters gerade passt. Natürlich nur.
Der Herr S. und ich jedenfalls standen mit dem Auto, mit dem Umzug in der Einfahrt der Straße. Und kamen nicht rein. Vollends egal, wie verzweifelt wir dem Herrn die Personalausweise mit Passierbarer-Meldeadresse vordeklinierten. Keinen Passierschein. Kein Durchkommen. Hinter uns staute sich der Verkehr in Form von Straßenbahnen. PKW’s. Werder-Fans. Und anderen Fans. Bestimmt auch LKW’s. Und wer weiß was noch.
Der Nachbar kam dazu. Versuchte ebenfalls auf den Mann in der Weste der Macht einzuargumentieren. Es ging nicht. Und es war ihm offenbar auch äußerst egal, was nun mit uns, den Sachen, dem abzugebenen Mietwagen und unseren Nerven passiert. Ohne Passierschein kein Umzug. Deutschland since 1871. Wir durchliefen fortan verschiedene Stationen der Trauer: Nichtwahrhabenwollen. Wut. Schmerz. Hilflosigkeit. Und irgendwann tatsächlich: Akzeptanz:
Wir wendeten. Parkten gegenüber in einer Seitenstraße. Ich zog mein Handy aus der Tasche und googelte. Man kann natürlich nicht einfach bei Werder anrufen. Das wäre zu einfach. Es gibt im Übrigen auch keinen Teamleiter in der Nähe und der werte Herr in Warnweste gab uns die Telefonnummer seiner Firma nichtmal als Sodoku heraus.
Praktischerweise weiß Google tatsächlich alles: In dem Fall heißt die Antwort „Elko“. Es war nun schon 13:53h und ich rief die zentrale Warteschleifen-Nummer von der Website an. Es wurde verbunden und weiterverbunden. Mir wurde Klärung versprochen. Und sogar die Polizei, die das regeln sollte. Es passiert natürlich NICHTS! Herr S. resignierte nun vollends, lieh sich vom Nachbarn eine Sackkarre und begann das nun ca. 300 Meter entfernte Auto auszuladen. Über die Ampel durch die bierig grinsenden Werder-Fans, über das Kopfsteinpflaster bis zu unser Wohnung. Dem Mann in Warnweste war weiterhin alles egal.
Es war mittlerweile 14:24h. Ich rief erneut bei Elko an. Ich wurde wieder weiterverbunden. Mir wurde wieder Klärung versprochen. Es passierte wieder nix. Und dann. Kurz nachdem der Herr S. mit der letzten Fuhre über die Ampel, durch die Werder-Fans hindurch in unsere Straße einbog, haben es die Damen und Herren von Elko tatsächlich geschafft ihren Mitarbeiter unter Kontrolle zu bekommen. Wir durften offiziell passieren.
Hurra.
Nicht.
Denn das Auto musste zurück. Dringend. Sehr dringend. Hätten wir es zwei Minuten später abgegeben, wären was weiß ich für Überziehungskosten über uns niedergehagelt. Tja. Und, was besonders schön ist: Wir dürfen nächstes Wochenende wieder eins mieten – um den Rest abzuholen. Die geplante zweite Fuhre haben wir nämlich nicht mehr geschafft.
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