Meine Blogparade „Blogs gegen Hass“ setzt nun so langsam zum Endspurt an, zum Finish. Jedoch: Keine Panik! Bis einschließlich dem 28. Februar ist noch Zeit. Zeit genug also, um sich in Bild, Schrift oder Ton gegen Hass und für Toleranz zu konzept- oder akzentuieren. <3
Ja. Und anlässlich eben dieser jenen Blogparade habe ich mir eine Sprach-Reise fantasiert: Um ganz ohne Umwege auf basis-kommunikativer Ebene für mehr Verständnis zu werben: Miteinander zu sprechen. Sich Hallo zu sagen.
Ihr erinnert euch sicher noch: Vor wenigen Tagen, am letzten Freitag, habe ich mit ein bisschen Feenstaub á la Arabesque um mich gepudert. Ja! Und hoffe nun: Es schimmert in euch nach. Verlangt nach mehr. Nach ein wenig apperieren – vielleicht. Im Harry Potter’schen Sinne: Nach Neugier. Nach Reise! –> Die sich wie versprochen diesmal in der Türkei austoben darf. Also: Hadi bakalım! Auf geht’s!
Zu einer Sprache, die rund 65 Millionen Menschen als Muttersprache sprechen. Zuzüglich 20 Millionen als Zweitsprache. Nun! Und bevor wir anfangen, uns ins Eingemachte zu begeben, zur gemeinsamen Kostprobe schreiten: Möchte ich als Vorab-Briefing im Fahrstuhl (durch die Welt) noch Folgendes liefern:
–> Es gibt rund 40 verschiedene Turksprachen, mit insgesamt ca. 180 Millionen Sprechern.
–> Türkisch hat dabei die größte Verbreitung, gefolgt von Aserbaidschanisch, Usbekisch und Uigurisch.
–> Aserbaidschanisch (<– als Beispiel) wird dabei nicht nur in Aserbaidschan gesprochen, sondern ist mit 14 Millionen Muttersprachlern die wichtigste Turksprache im Iran. Der Iran hat insgesamt rund 75 Millionen Einwohner, die Amtssprache ist Persisch, die von ca. 53% der Bevölkerung als Muttersprache gesprochen wird.
–> Zum Vergleich: Deutschland hat rund 80,5 Millionen Einwohner, von denen etwa 3 Millionen Menschen als Mutter- oder Zweitsprache Türkisch sprechen.
Die älteste bekannte türkische Schrift besteht aus rund 38 Runen. Erst ab dem 10. Jhd. wurde für das Türkische das arabische Alphabet verwendet und bis zur Ausrufung der Republik im Jahre 1923 beibehalten: Kurz darauf wurde das lateinische Alphabet eingeführt. Es folgten Bestrebung Wörter, die über die Jahrhunderte hinweg aus dem Arabischen und Persischen in die türkische Sprache eingeflossen waren, durch neugebildete oder traditionelle türkische Wörter zu ersetzen. Dennoch bzw. trotzdem gibt es in der türkischen Sprache heute rund 6600 Lehnwörter aus dem Arabischen, gefolgt von fast 5000 aus dem Französischen und gerade mal 85 aus dem Deutschen. Darunter z.B. Schnitzel (= şinitsel) oder Autobahn (= otoban). Insgesamt umfasst die Türkische Sprache heute etwa 14% Lehnwörter.
Andersherum – also deutsche Wörter, die dem Türkischen entlehnt wurden – gibt es mit ca. 150 ebenfalls nur wenige. Einige, insbesondere kulinarische Beispiele wären:
Kaviar –> Havyar
Döner –> Dönmek (= sich drehend)
Schabracke –> çaprak (= Satteldecke)
Türkisch ist vor allem eins: Eine Sprache mit viel Mut zum Detail. Sie ist sehr pittoresk und erfordert viel Aufmerksamkeit mit genauem Zuhören: Person, Zeit und Fall werden in die Wörter integriert. Und so zum gewünschten Ausdruck gebracht: mit Sinn gefüllt. Das kann ganz harmlos und unscheinbar sein, wie:
-li/-lı/-lu/-lü –> Die Endungen bedeuten „stammend aus“:
Bremenli = der Bremer/ die Bremerin
Bonnlu = der Bonner/ die Bonnerin
Kölnlü = der Kölner/ die Kölnerin
Diese Verlängerungen, die Endungen werden jedoch nicht irgendwie oder gar einfach so drangezimmert – sondern sie müssen stets zum Klang des Wortes passen. Im Türkischen wird Vokalharmonie überaus geschätzt. Das bedeutet: Ein Wort darf (bis auf wenige Ausnahmen) in seiner sinngebenden Endung nur entweder helle Vokale (e, i, ö, ü) oder aber nur dunkle Vokale (a, ı, o, u) enthalten:
–> Köy (= Dorf). Köyler (= Dörfer). Köylerde (in den Dörfern).
Doch das ist nur der Anfang, die Spitze des Aysberg (= Eisberg, ein weiteres Lehnwort im Türkischen aus dem Deutschen): Der Unterbau. Denn die kombinierende Verwurzelung der Sprache, die Bündelung eines ganzen Satzes in nur einem einzigen Wort, das ist das Herz des Türkischen:
[bestehend aus gitmek (= gehen) und büyük (= groß)]
huzursuzsunuz –> ihr seid unruhig
evinizdeyiz –> Wir sind in eurem Haus.
Bei Filmtiteln ist das ganz besonders von Vorteil. Man muss nicht lange über knackigen Slogans sinnieren, sondern packt einfach sämtliche Informationen in zwei Wörter
–>
Uçurtmayı vurmasınlar –> Sie sollen den Drachen nicht runterschießen
Uçurtma-yı vur-ma-sın-lar –> Drachen-den runterschießen-nicht-sollen-sie.
Im Deutschen beschränken wir uns auf Aktiv & Passiv in Sachen Genera Verbi. Die türkische Sprache. Nicht. Sie schwingt noch einen Kausativ (= veranlassend), einen Reflexiv (= auf sich selbst bezogen) und einen Reziprok mit hinein – ins Stimmengewirr.
Ja! Und: Dies nehmen wir mal als Anlass, als Grundstein: Unsere grammatikalische Zementierungen einzureißen. Alles neu zu denken: Sprache neu aufzurichten. Ausdruck unberührt zu sortieren:
Im Deutschen, da kennen wir es so: Verben bekommen ihre Bedeutung, ihren Zusammenhang, ja, ihren Sinn durch die Zeit (wie z.B. Zukunft, Vergangenheit, Gegenwart), sowie unsere Modi (Indikativ – Konjunktiv – Imperativ). ich schreibe, schrieb, wurde beschrieben. Ohne diese grammatikalischen Hilfsmittel können wir unmöglich feststellen, wie ein Satz gemeint ist, an wen er sich richtet und wann etwas geschehen ist.
Im Türkischen gibt es dieses System: Nicht.
Nicht so. Jedenfalls.
Im Türkischen haben die Zeiten zwar ebenso modale, wie aspektbezogene Bedeutungen. Zeit und Modi werden aber gewissermaßen nicht getrennt voneinander behandelt, sondern stehen auf einem gemeinsamen Bedeutungshorizont. Sie sind brachial ausgedrückt eine gemeinsame fließende Kategorie: Während das gute alte Präsens zum Beispiel auch im Türkischen eine eher zeitbezogene Bedeutung hat, bildet der uns unbekannte Nezessitativ (Notwendigkeitsform) eine Art simultane Zwischenform: Zwischen Modi und Zeit.
–> Ein Beispiel könnt ihr euch dort in der Tabelle anschauen: Klick.
Eine weitere uns Unbekannte Gestalt ist der Optativ: Der Optativ ist in vielen Sprachen ein Modi des Wunsches, ein Ausdruck dessen was möglich ist – unter Umständen. Es gibt ihn u.a. im Altgriechischen, in einigen alten germanischen Sprachen, im Sanskrit, dem Finnischen und eben dem Türkischen. Sowie sogar im Sindarin –> das ist die Sprache, die J.R.R. Tolkin in seinen Romanen eigens für die Elben entwickelt hat.
Türkisch kleckert nicht: Türkisch ist per Definition eine agglutinierende Sprache = anleimen, anheften. Sie verbindet ihre Wörter miteinander und sie spricht. Viel. Sehr viel: Good old Duden umfasst ca. 500.000 Wörter, der Büyük Türkçe Sözlük (= Das große Türkische Wörterbuch) 616.767. Und da das kein Wettbewerb ist, würde ich trotzdem sagen, dass wir die fehlenden 116.767 Wörter gleich mal beginnen aufzuholen: Klick!
Ich hoffe es hat euch gefallen – die Reise. Und bei unserer nächsten Station heißt es dann:
Shalom! <3
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Hier die komplette Reihe:
–> Arabisch to go
–> Türkisch Melange
–> Hebräisch to your Heart
–> Bantu for real
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