Liebes Internet, bis gestern wusste ich gar nicht, dass du das machst, dieses #CR7-Bashing. Aber das liegt vermutlich ausschließlich an mir und der Tatsache, dass ich mit Fußball nicht sonderlich viel am Hut habe. Außer manchmal: Zur WM oder EM oder eben doch gar nicht. Je nachdem. Diesmal habe ich das eine oder andere Spiel geschaut. Eher das andere als das eine. Und mochte die Idee, dass Island gewinnt. Aber sonst bin ich da eher random. Eine von den Fans, die eigentlich keine sind.
Jedoch! Freunde: Das gestern war ur-traurig und dann ur-freudig. Genau genommen ernsthaft chic: Dass es in einer solch knallharten und korrupten Industrie, wie es der Fußball ja nuneinmal ist, noch Spieler gibt, die mit echten Emotionen um sich werfen: Es schlichtum nicht fassen können, es nicht wahrhaben wollen, dass das Knie nicht mehr mitmacht. Dasitzen und weinen. So, dass man mitweinen möchte. Dann vom Spielfeldrand aus alles geben, die Mitspieler herzen und den Trainer anbouncen. Vollkommen überschäumen.
Jaja, ich weiß, er macht es nicht so wie es muss. Es ist nicht so wie man sich selbst zu feiern hat. Und man darf auch nicht zu ehrgeizig sein. Und nicht zu viel trainieren. Und zu viel Gel wird auch nicht gern gesehen. Nicht zu viel Pose. Selbstinszenierung? Ja! – aber bitte nur so, wie wir es mögen. So, dass es nicht weiter auffällt – unter all den anderen durchgenormten Selbstinszenierungen. Unseren Selbstinszenierungen. Unseren Vorstellungen darüber, wie Emotionen auszusehen haben. Und Menschen.
Die Häme, die da im Internet gegen Ronaldo herumhasst, ist dermaßen eskalierend, dass einem tatsächlich gar nichts anderes übrig bleibt, als anzunehmen, die Menschen wären irgendwie persönlich involviert. Wären von Herrn Ronaldo face-to-face beleidigt worden. Oder gar angespuckt!
Dabei wird doch immer davon geredet, dass es im Fußball um echte Emotionen geht. Darum, wie spannend, wie mitreißend eben jene echten Emotionen sind. Genau wie gestern: Mehr Drama geht doch kaum! Der Held muss vom Platz. Er versucht es bis zum Schluss. Weint und kämpft. Die Mannschaft ist schwer getroffen. Wird zum Spielball der Gegner. Fängt sich. Irgendwie. Rettet sich. Und am Ende. Es hat schon keiner mehr geglaubt: Fällt es trotzdem. DAS Tor! Ein echtes Märchen!
Das man den Isländern gegönnt hätte! Da hätten alle gejubelt. Aber mal ehrlich? Waren sie das, was der portugisischen Manschaft nun in nahezu jeder Meldung abgesprochen wird: Die Besten? Wären sie wirklich und 100%ig die beste Mannschaft gewesen? Eher nicht. Aber die Geschichte passte nuneben besser. Das Märchen ist hübscher – und weitaus bequemer. Helden, die als Helden kommen, sind einfacher – als Helden, die dringend Helden sein möchten.
Sich ansehen zu müssen, wie Herr Ronaldo dahinschreitet. Zum Ball. Empfinden viele offenkundig als Qual. Von fremdschämen ist die Rede. Aber ist es wirklich so, dass wir uns für ihn schämen? Oder eher vor uns? Davor, dass derart große Gesten, derart viel Einforderungen von Raum und Aufmerksamkeit Angst machen? Und auch neidisch. Sogar eigentlich vor allem neidisch. Auf die offensive Aufmerksamkeit. Und die Schadenfreude nur allzu groß ist, wenn dies Alles in einer Niederlage endet: Wenn der Ball an die Latte geht?
Es gibt wirklich sehr, sehr Vieles, sehr viel Normalität, die uns abverlangt wird. Die wir uns mühsam erarbeitet haben. Für unseren festen und rechtmäßig Platz. Hier und in der Mitte der Gesellschaft. Ein Platz mit sehr viel „Das wird man ja wohl nochmal sagen dürfen“ Attitüde! Norm ist uns allen sehr wichtig. Geworden. Über die Jahre. Ich weiß, ich weiß, wir sagen alle, dass wir Menschen mit Ecken und Kanten mögen. Aber. Das. Stimmt. Nicht.
Am Ende wollen wir alle und alles so haben, wie es muss. Wie es sich gehört. Und Fußballer, die wie John Wayne breitbeinig zur Tat schreiten, mögen wir. Nuneben. Solange sie nicht zu gekämmt und nicht zu schön sind – und auf keinen Fall Angst vor Motten haben. Als Haudegen darf man das. Sonst eben nicht. Nie.
Und genau dorthinein twitterte gestern kurzum die stellvertretende Vorsitzende der CDU. Mitten in die Jubel-Szenen: Dass sie nun eben findet, Ronaldo wirke irgendwie verhaltensauffällig.
Nun, mal abgesehen davon, dass das nicht nur ziemlich plump sowie vollends unnötig war: Ist es eben auch ein Ausdruck dessen, dass zu viel Emotionen nicht auszuhalten sind. Und sich selbst ein Medienprofi, wie sie, zu solch Twittermeinungspeinlichkeiten hinreißen lässt: Dass bitte! Bitte zur Norm zurück gekehrt werden möge. Umgehend! Selbstredend. SCHNELL!
Dies ist (m)ein Beitrag zu meiner Blogparade #bubbleescape. Sie läuft noch bis zum 31. August 2016. Also krempelt die Ärmel hoch und macht mit! Dieser Beitrag war ungeplant – aber dafür spontan – und erstaunlich passend. Also: To be continued. <3