Aus. Ende. Finito. Das war sie meine erste Blogparade „Blogs gegen Hass“ – und ich bin geradezu hin bis weg angesichts der vielen unterschiedlichsten Beiträge. Danke euch! <3 In den nächsten Tagen folgt der Rundgang hindurch durch alle eingereichten Beiträge. :)
Aber nun: Erstmal und zum Abschluss gibt es die versprochene Afrika-Reise. Zuvor waren wir schon in den arabischen Gefilden, in der Türkei und zuletzt in Israel. Denn für meine Blogparade, mit der ich zusammen mit euch, gegen Fremdenhass und für mehr gegenseitiges Verstehen angetreten bin, habe ich mir vorgenommen „gegenseitiges Verstehen“ durchaus wörtlich zu nehmen – und ganz basal dort anzufangen, wo verstehen beginnt: Nämlich in der Sprache.
Ja. Und bevor wir nun erneut eintauchen, uns zusammen in eine Sprache hineinweben: Erstmal ein paar Fakten. Einen Überbau. Dinge, die ihr unbedingt wissen solltet:
In Afrika gibt es fünf große Sprachfamilien:
Wird vor allem im Norden und auch Osten von Afrika gesprochen, sowie in Westasien. Es gliedert sich in ca. 350 unterschiedliche Sprachen und wird von etwa 350 Millionen Menschen gesprochen.
–> Niger-Kongo
Wird vor allem in West-, Zentral- und Südafrika gesprochen. Es gliedert sich in ca. 1400 unterschiedliche Sprachen und wird von ca. 370 Millionen Menschen gesprochen.
–> Nilosaharanisch
Wird vor allem in Nord- bis Zentralafrika gesprochen. Es gliedert sich in ca. 200 unterschiedliche Sprachen und wird von ca. 35 Millionen Menschen gesprochen.
–> Khoisan
Wird vor allem im westlichen Süden von Afrika gesprochen. Es gliedert sich in ca. 28 unterschiedliche Sprachen und wird von ca. 355 Tsd. Menschen gesprochen.
–> Austronesisch
Wird vor allem auf Madagaskar gesprochen. Dort leben rund 22 Millionen Menschen. Weltweit gibt es in der austronesischen Sprachfamilie rund 1150 unterschiedliche Sprachen, die von ca. 300 Millionen Menschen gesprochen werden. Darunter u.a. Taiwan, Neuseeland oder Hawaii.
Wir befinden uns also auf einem Kontinent mit fünf verschiedenen Sprachfamilien und nahezu 2000 unterschiedlichen Sprachen – sowie nochmal unzähligen Dialekten. Es ist demgemäß nicht ganz leicht, sich zu sort- und orientieren.
Und genau deswegen musste ich mich entscheiden: Ich entschied mich für die Niger-Kongo-Sprachfamilie. Sie wird von ca. 45% der afrikanischen Bevölkerung gesprochen und ist mit ihren 1400 Sprachen die sprachenreichste Familie weltweit. Sie macht fast ein Viertel aller Sprachen aus. Gefolgt von der u.a. ebenfalls auf den afrikanischen Kontinent zu findende austronesische Sprachfamilie: Sie kann rund 1100 Sprachen aufbieten.
In Sachen Sprecher*innen belegt die Niger-Kongo-Familie mit 370 Millionen Menschen Rang drei auf der Weltrangliste. Platz eins geht an die Indogermanischen Sprachen (= 2,7 Mrd.) und zwei an die Sinotibetischen (= 1,3 Mrd.).
Die größte Untergruppe in der Niger-Kongo-Sprachfamilie bilden die Bantusprachen. Es gibt rund 500 verschiedene, die oftmals eng verwandt sind und von rund 210 Millionen Menschen gesprochen werden. Eine Bantusprache hat durchschnittlich ca. 300.000 Sprecher*innen – also in etwa die Einwohnerzahl von Münster.
Die Bantusprache mit den meisten Sprecher*innen ist Swahili oder auch Kiswahili (in der Eigenbezeichnung). Sie leitet sich von dem arabischen Wort sāḥil (= Küste oder Grenze) ab. Kiswahili wird je nach Schätzung von 70 bis 120 Millionen Menschen gesprochen – davon sind jedoch nur rund 5-10 Millionen Muttersprachler.
Ursprünglich kommt die Sprache aus dem Gebiet des Küstenstreifens von Süd-Somalia bis Nord-Mosambik. Sie hat jedoch eine zunehmende Bedeutung als sogenannte „Verkehrssprache“ eingenommen. Verkehrssprachen sind Sprachen, die von vielen Afrikanern als Zweit- oder Drittsprache gesprochen werden, um sich über die kleinen Spracheinheiten hinaus verständigen zu können.
Kiswahili ist die Amtssprache von Tansania, Kenia und Uganda. Außerdem ist sie eine von vier Nationalsprachen in der Demokratischen Republik Kongo und hat einen anerkannten Minderheitsstatus in Mosambik. Darüber hinaus wird Swahili z.T. in Ruanda, Burundi, Somalia, Malawi, Äthiopien, Madagaskar und auf den Komoren gesprochen.
Kiswahili ist eine Sprache, die in sich gewachsen ist. Sie umfasst einen sehr hohen Anteil an arabischen Vokabeln: Das liegt daran, dass diese Küstensprache sehr stark durch den regen Austausch und Handel mit arabisch sprechenden Seefahrern geprägt wurde.
Die ältesten swahilischen Schriftstücke stammen aus der Zeit um 1700 und sind in arabischer Schrift verfasst. Damit ist die Sprache eine der wenigen in Afrika, die bereits vor der Kolonialisierung auch in geschriebener Form existierte. Erst in den 1930er Jahren setzte sich die lateinische Schrift durch.
Grammatikalisch ist Swahili ganz eindeutig eine Bantusprache, die vielen arabischen Vokabeln und Lehnwörter veranlassten europäische Besucher jedoch Kiswahili zunächst als eine Art Abwandlung der arabischen Sprache zu betrachten. Zu den vielen arabischen Wörtern, die in etwa 30% betragen, kamen im 20. Jhd. außerdem viele englische Begriffe: z.B. stempu (= Briefmarken) oder soksi (= Socken).
Aus der deutschen Kolonialzeit wiederum sind nur wenige Ausdrücke dauerhaft in den Bantusprachen aufgenommen worden. Einige sind:
bruda –> Ordensbruder
hela –> Geld (von Heller)
Maneva –> Manöver
mashine –> Maschine
In Sachen Sprachrhythmus mag es die kiswahilische Sprache, wenn Wörter auf Vokale enden. Daher neigen viele afrikanische Sprecher*innen beim Erlernen einer Fremdsprache dazu, an alle Wörter schlicht und kurzum einen Vokal zu hängen. Vielleicht vergleichbar damit, dass wir an fremde Verben auch gerne ein -en hängen (z.B. googlen). Im kiswahilischen Sprachgefühl sieht das dann zum Beispiel so aus: Goodi morni Sarahi!
Kiswahili ist eine agglutinierende (= ankleben) Sprache: Das heißt sie klebt Silben jeweils vorne und hinten an die Wörter heran, um ihnen ihre Zeit, Person und Richtung zu geben:
ninaweza kuzumgumza –> ich kann sprechen
ni-na-weza = ich-Präsens-kann
ku-zumgumza = Infinitiv-sprechen
Mappenzi hayana macho ya kuona –> Liebe macht blind
Mappenzi (Liebe) ha-ya-na (nicht-sie-hat) macho (Augen) ya kuona (zum Sehen)
Im Kiswahili gibt es zudem keine bestimmten und unbestimmten Artikel, außerdem ebensowenig eine Unterteilung in Fälle (Nominativ, Akkusativ, Dativ, Genitiv). Die Nomen werden auch nicht in die drei uns bekannten Genera (Maskulinum, Femininum, Neutrum) eingeteilt: Sondern in acht Kategorien, die jeweils mit einer eigenen Vorsilbe gekennzeichnet werden. Die Einteilung ist nicht immer ganz logisch und nachvollziehbar. Ähnlich, wie die Einteilung unserer bestimmten Artikel. So heißt es zum Bespiel: Die Frau, der Hase, das Haus – aber auch: Der Stuhl, die Waschmaschine, die Wolke.
Hier ein Beispiel (–> Quelle) & (–> Quelle)
(auch Berufe, Geschlechter, Familien sowie Insekt & Tier)
Vorsilben:
m-/ mw- (vor Vokalen) = Singular
wa- = Plural
Beispiel:
mtoto = (das) Kind
mwalimu = (der Lehrer)
mtu = (der Mensch)
watoto = (die) Kinder
walimu = (die Lehrer)
watu = (die) Menschen
(Pflanzen & besonders Bäume, Teile der Natur, Körperteile, Nahrung)
Vorsilben:
m- /mw- (vor Vokalen) = Singular
mi- = Plural
Beispiel:
mti = (der) Baum
mwamba = (der) Felsen
mji = (die) Stadt
miti = (die) Bäume
miamba = (die) Felsen
miji = (die) Städte
(vom Menschen geschaffene Objekte, Sprachen)
Vorsilben:
ki- / ch- (vor Vokalen) = Singular
vi- / vy- (vor Vokalen) = Plural
Beispiel:
kitu = (das) Ding
chakula = (das) Essen
kijerumani = Deutsch
kiswahili = Kiswahili/ Swahili
vitu = (die) Dinge
vyakula = (die) Essen
(auch Früchte, wenige Lebewesen, soziale Beziehungen, Dinge, die in Paaren auftreten)
Vorsilben:
j(i)- = Singular
ma- = Plural
Beispiel:
jicho = (das) Auge
gari = (das) Auto
macho = (die) Augen
magari = (die) Autos
(viele sind fremden Sprachen entlehnt und oft Wörter, die mit nasalen Lauten beginnen: m, n, ng, ny, mb)
Vorsilben:
Keine feste Anfangssilbe
Kein Unterschied zwischen Plural und Singular
Beispiel:
nyoka = (die) Schlange
nyoka = (die) Schlangen
bahati = (das) Glück
(viele Subjektive, die aus Adjektiven abgeleitet wurden, Subjektive, die kein Plural haben)
Vorsilben:
u- / w- (vor Vokalen) = Singular
kein/ ny- (vor Vokalen) = Plural
Beispiel:
urefu = (die) Länge
ufagio = (der) Besen
wimbo = (das) Lied
usiku = (die) Nacht
—> kein Plural für urefu vorhanden
fagio = (die) Besen
nyimbo = (die) Lieder
(besteht nur aus dem Wort mahali. Es können aber auch andere Substantive durch anhängen der Silbe -ni in diese Klasse geholt werden)
Vorsilben:
keine
Beispiel:
mahali = (der) Platz/ Ort, (die) Stelle
mahali = (die) Plätze
(alle Substantive, die mit einem Infinitiv gebildet werden)
Vorsilben:
ku- / kw- (vor Vokalen) = Singular
nicht vorhanden = Plural
Beispiel:
kulala = (das) Schlafen
kwenda = (das) Gehen
kusoma = (das) Lesen
—> kein Plural vorhanden
Für Verwirrung könnte bei uns zudem die Tatsache sorgen, dass im Kiswahili die Woche bereits viel früher beginnt. Während für uns der Montag der erste Tag ist, ist jener dort bereits Tag drei: Jumatatu (Juma = Woche + tatu = dritte(r)). Denn dort startet die Woche am Samstag: Jumamosi (Juma = Woche + mosi = erste(r)). Und auch wenn sich mittlerweile das uns bekannte sams- und sonntägliche Wochenende durchgesetzt hat, sind die Bezeichnungen der Wochentage so geblieben.
Vollends aus dem Konzept würde uns hingegen die Zeitrechnung bringen: Denn sie orientiert sich an den am Äquator doch recht zuverlässig gleichbleibenden Sonnenauf- und untergängen – gegen sechs Uhr morgens sowie abends:
saa tano bedeutet übersetzt: saa (= Stunde) & tano (= fünf). Ist jedoch nicht etwa fünf Uhr nachmittags – sondern 11:00 Uhr vormittags: Denn es wird ab sechs Uhr gerechnet. Sprich: 06:00 Uhr + 5 Stunden = 11:00 Uhr. Ja! Und: 09:30 Uhr ist entsprechend: saa tatu na nusu = Stunde drei und halb (6 + 3,5 Stunden).
Ich hoffe der Trip nach Afrika hat euch gefallen. Ich sage Baadaye – Tschüss. Und ahsante! Danke – für’s Zuhören. Hier (–> klick) könnt ihr außerdem noch ein paar Sätze und Wörter üben.
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Hier die komplette Reihe:
–> Arabisch to go
–> Türkisch Melange
–> Hebräisch to your Heart
–> Bantu for real
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