Ich war 2x in der Oper: Einmal am Mittwoch im Oldenburger Otello und vorgestern Abend in der Bremer Premiere von Mahlers III. – Eigentlich sollten daraus zwei Blogartikel gebastelt werden. Eigentlich & Nun ja. Die Sache ist halt die: Es gibt da neuerdings wen.
Tja.
Zusätzlich erschwerend kommt hinzu, dass die viele Watte in meinem Kopf eine elegante Textlösung verhindert. Daher: Ich mach‘s schlicht chronologisch und beginne also mit dem Otello:
Dass die Oper Oldenburg eine meiner liebsten Lieblingsopernhäuser ist, liegt nicht nur daran, dass es dort einfach unfassbar hübsch ist, sondern auch an der durchweg kreativ-guten Qualität. Gut, einmal ist der Regisseur kurz vor der Premiere abgehauen – und die Regie ist entsprechend, na, sagen wir mal…. improvisiert ausgefallen – aber künstlerische Zerwürfnisse haben ja praktischerweise eingebaute Charming-Points, so dass es nicht zur Ausnahme wurde, die die Regel bestätigte.
Dass der Otello am Mittwoch gut war, hat mich demnach nicht überrascht. Dass ich offenbar unter einer leichten Verdi-Deprivation gelitten habe, hingegen schon: Erstaunlich ungewöhnlich: Aber meine letzte Verdi Oper ist echt schon einiges her. Der Anfangschor hat mich daher einigermaßen kalt erwischt und sich – auf der Suche nach Emotionsassoziationsketten – umherirrend durch mein Nervensystem geschossen.
Musikalisch war der Abend auf einem, ich sagte es schon, gewohnt gutem Niveau. Es ist ja immer ein wenig unvorteilhaft, etwas Gutes als „gut“ zu bezeichnen, da „gut“ mittlerweile irgendwie zum neuen „interessant“ geworden ist. [Füge hier Pamphlet über das Leben in einer Superlativ-Gesellschaft ein] Jedenfalls: In Sachen „Gut“ ist allen voran Angela Bic zu nennen, die eine großartige Desdemona hingelegt hat & GMD Roger Epple am Dirigentenpult.
Noch etwas mehr über den Otello habe ich dort geschrieben.
Oper Nummer zwei widmete sich Mahlers III. Im Bremer Goethetheater. Wer jedoch Mahlers III. erwartet hat – wurde nicht bedient. Zumindest nicht wirklich. Denn es gab Mahler in seiner Gesamt-Skurrilität. Einen Klangwald für innen und außen:
Zu Beginn wurden alle Besitzer einer Parkett-Karte über die Seitenbühnen auf die, mit dem eisernen Vorhang noch vom Zuschauerraum getrennte, Bühne geschleust. Dort, in diesem noch undefinierten Raum, stellte sich schnell so etwas wie ein allgemeines Fragezeichen ein: Was soll ich hier, was mach ich hier und überhaupt? Alle irrten einigermaßen ziellos über die kahle Bühne und suchten nach dem Sinn dahinter. Da Theater- und Operngänger in der Regel aber geübt in solchen Situationen sind, war allen recht schnell klar, dass genau dieses Fragezeichen der Sinn war. So auch mir. Also habe ich mich irgendwann mittig auf die Bühne gestellt und abgewartet. Das führte allerdings dazu, dass einige doch noch einen weiteren Anlauf Richtung Sinn Exploration unternahmen. Das äußerte sich darin, dass ich von diversen Personen gefragt wurde, ob ich zum Stück gehöre, sprich Schauspielerin sei. Erkanntes Fragezeichen hin oder her: Die Frage nach dem Sinn lässt sich offensichtlich nicht so mir nichts, dir nichts unterdrücken. Irgendwie beruhigend. Wie ich finde.
Nach etwa 20 Minuten öffnete sich dann der eiserne Vorhang und die vollbesetzen Ränge starrten erwartungsvoll auf die Bühne – während wir von der Bühne erwartungsvoll auf die vollbesetzen Ränge starrten. Wer wollte konnte nun seinen Platz im Parkett einnehmen – oder aber auf der Bühne bleiben: stehend, sitzend, liegend – ganz nach Belieben. Hurra!! Das Orchester fuhr von hinten auf die Bühne.
Mehr und detailreicher zum Konzept und den Protagonisten in Kürze [hier].
Grund(um)riss: Mahler gehört für mich ja zu den Komponisten, die schon immer eine maximale Anziehungskraft auf mich ausübten. Wohl deswegen, weil mir bereits beim ersten Hören klar war, dass es einiges an emotionaler Tragkraft bedarf, um diese Musik in ihrer ganzen Bedeutungstiefe hineinzulassen. Sie ist ein wenig, wie ein Zauber, den einen unbedarften Lehrling in den Wahnsinn treiben würde, wenn er ihn über sich ergehen lassen würde. Wie in all diesen Filmen. Eine Kraft, die man erst erlenen muss auszuhalten. Die so komplex ist, dass sie das Herz zerreißt. Ach. Was sag ich: Das Ich. Und eben zu jenem führen kann.