Der Herr S. berichtete heute Morgen, er hätte geträumt wir haben eine Katze. Eine, die bei uns schläft, isst und lebt. Eine Mitbewohnerin also. Die selbstredend auch ihr eigenes Zimmer bräuchte. Doch der Herr S. verstand nicht so ganz. Verstand meine Frage nicht: In welchem Zimmer sie denn leben sollte, die Katze?
Denn wir, der Herr S. und ich, haben nur zwei. Zimmer. Und genau diese zwei sind bereits für uns beide zu klein – weswegen wir ja auch gedenken umzuziehen. Demnächst. Irgendwann. Bald. Vielleicht. Wenn es passt: In Sachen Zeit, Geld, Motivation, aber vor allem Wohnung. Denn neben mehr Platz hätten wir (zuvörderst ich) auch gerne noch einen größeren, am besten terrassigen Balkon oben drauf. Und dies alles zuliebst außerdem ziemlich exakt in der Straße, in der wir uns gerade befinden. Die Parallelstraße ginge auch noch. Wir fühlen uns hier nämlich sehr wohl. Würden auf der Stelle hier bleiben. Wenn das mit der Zweizimmrigkeit eben nicht wäre. Und dem Balkon.
Unsere Katze würde die Straße hier vor Ort sicher auch überaus zu schätzen wissen. Sie ist nämlich recht katzenfreundlich: Denn durch die geschickte Kombination aus Kopfsteinpflaster und mittelgebirgsähnlichen Unebenheiten ist es schlichtum unmöglich mit mehr als 10 km/h über sie hinweg zu hoppeln. Mit dem Fahrrad verhält es sich ähnlich.
Zudem gibt es hier kleine Gärten, mitunter Bäume und sicher auch die eine oder andere Maus. Nebst einigen weiteren Damen sowie Herren von und zu Katze – die sich gern des Nachts erbitterte Schlachten um den einen oder anderen Vorgarten liefern.
Aber ich bin mir sicher, sie würde sich behaupten – unsere Katze. Ja. Und wenn sie dann allmorgendlich die Straßen den schnöden Alltäglichkeiten der Menschen überlies; wieder zu uns nach Hause käme, würde sie sich sicher in Ruhe ausschlafen wollen. Allein. In ihrem Zimmer. Im eigenen Bett schläft es sich schließlich am besten.
Das wusste auch Jelly: Die Katze, die früher bei meinen Eltern in Lingen wohnte – und einzog, als ich etwa 14 war. Jelly erkannte recht schnell, dass sich das kleine Zimmer in der oberen Etage, ganz am Ende des Flurs, recht gut dazu eignete den Kampf zur kompletten Annektierung aufzunehmen. Bedingungslos.
Die beiden Gegner waren meine Schwester und ich, denn wir nutzten diesen besagten Raum als Fernsehzimmer. Lagen vor allem am Wochenende gerne auch mal ausgiebig vor dem Kasten. Hatten somit in Sachen Streit eigentlich schon genug zu tun. Schließlich besitzen Fernseher die fiese Ungünstigkeit, dass sie stets nur eine Fernbedienung haben. Die somit auch stets nur einer bedienen kann. Der andere guckt derweil dumm aus der Wäsche.
Jelly jedoch ging es natürlich nicht um den Fernseher. Der war ihr egal. Zumindest insoweit er nicht irgendwelche quietschstimmigen Zeichentrickserien wiedergab. Dawsons Creek wiederrum fand sie einigermaßen okay. Als echter Fan fand ich ihre Reaktion wiederrum reichlich untertrieben. Aber zu mehr ließ sie sich nunmal nicht herab.
Musik hörte sie auch gerne. Am liebsten Mozart. Dafür unterbrach sie mitunter auch ihren taktierenden Kampf um das Flurzimmer – und begab sich hinab nach unten: ins Wohnzimmer. Denn nur dort gab es Musik in für sie akzeptabler Soundqualität. Sie saß stets exakt austangiert zwischen den beiden Boxen. Mitten im Weg. Auf den Fliesen. Schloss die Augen lauschte, schnurrte sogar und starrte jeden Störer, also uns, mit ihren Laseraugen in friedliche Ruhe. Sie war erbarmungslos.
Aber zurück zum Zimmer. Ihrem Zimmer. Sie ging freilich recht geschickt vor: Kuschelte sich vorerst am Fußende des Sofas ein. Klein, friedlich und anspruchsfrei. Wärmte gerne auch mal ein wenig unsere Füße. Gab sich insgesamt recht altruistisch. Geradezu aufopfernd. Rutschte jedoch vollends unbemerkt immer weiter in die Mitte des Sofas. Wie ein kleiner Plüschgletscher. Bis sie nach einigen Monaten schlussendlich in der Mitte des Sofas angelangt war.
Meine Schwester und ich. Nun ja: Wir saßen mittlerweile schnurrgerade, still und regungslos je am Kopf- und Fußende des Sofas. Wachten wie Zinnsoldaten über den störungsfreien Schlaf der Katze, die gerne auch mal zulangte, wenn wir nicht parierten. Und insbesondere im Frühling mit jedem Atemzug sich selbst im Zimmer verteilte. Es mit Haaren vollsäuselte. Bei jeder kleinsten Regung schleuderte sie ihre ganze orange-getigerte Pracht durch die Lüfte, wie ein aufgerissenes Federkissen. – Auf beides bin ich allergisch: Auf Federkissen schon immer. Und auf Katzen höchsttragischerweise seit meinem Auszug von zu Hause. Mit dem abrupten Haarentzug also gewissermaßen. Weswegen ich seitdem leider keine Katze habe.
Aber träumen darf man ja: Und der Katzentraum von dem Herrn S., der ließ mich nicht los: Als er mich heute Morgen frug, was er mir vom Bäcker mitbringen solle, bestellte ich also geradewegs eine Katze. – Und bekam einen Käsekuchen. Im Baumarkt dann (wir brauchten eine neue Türklinke) wagte ich einen weiteren Anlauf und ließ einen Waschbeckenstöpsel mit Katze oben drauf in den Einkaufskorb wandern. Aber: Es hat eben nicht sollen sein: An der Kasse wurde uns nach 2x scannen, 3x Nummer-Eintippen und 1x Telefonat mit dem Teamleiter mitgeteilt, dass Madame Katze nicht im System sei – und somit auch faktisch nicht verkäuflich. So sind sie eben. Die Katzen. Ich hätte es wissen müssen.
Stattdessen nahm ich einen Kaktus. Einen ganz kleinen – natürlich. Denn wir haben doch keinen Platz!
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