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Die Gedanken sind frei

Wenn Computer Bücher schreiben

Als ich dort im Blog diesen Link entdeckt habe, dachte ich erst, das wär‘ ein Scherz. Ein Computerprogramm, welches bereits800.000 Bücher geschrieben hat, die man tatsächlich auch bei Amazon bestellen kann? !

Das Programm braucht rund 20 Minuten für ein Buch. Zack. Bum. Fertisch. Dafür saugt es sich mit bereits vorhandenen Fakten voll und hustet diese dann in einem Fließtext wieder aus. Thematisch werden diverse Nischen abgegrast, für die es ohnehin nur eine äußerst begrenzte Leserschaft gibt: z.B. seltene Krankheiten, Markt-Prognosen für Kondome oder Toilettensitze. Oder auch Wörterbücher, Kreuzworträtsel-Lösungshilfen, etc. pp.

Was also zunächst einmal äußerst futuresk klingt und sämtliche romantischen inneren Anteile zum Kreischen bringt, ist im Grunde völlig harmlos. Es dürfte sich bei den Büchern, um Zusammenfassungen des vorhandenen Wissens handeln, nicht aber um Weiterentwicklungen von Theorien oder Wissen. Geschweige denn um einen kreativen Prozess. Das Programm ersetzt also keinesfalls….

Wobei….

Ich bin zwar ein absoluter Laie, aber ein Algorithmus, der beispielsweise vorab mit allerhand Methapern zum Thema „Sternenhimmel“ gefüttert wird, sollte doch in der Lage sein, etwas zu kreieren, das uns bewegt. Oder? Was wäre also eigentlich daran so verkehrt, wenn es eines Tages einem Programm gelingen würde, ernsthaft gute Geschichten und Literatur zu schreiben? Bücher, die uns derart berühren, als stammten sie aus der Feder von Frau Lindgren oder Herrn Goethe? Wenn diese maschinell produzierten Texte uns ebenso rühren oder gruseln würden. Wenn sie unsere Fantasie beflügeln, uns kreativ werden ließen und die Grenzen unseres Denkens erweitern würden? Nix. Oder? Eigentlich.

Mein innerer Aufschrei bei dem Gedanken erinnert mich doch ein wenig an den, der durch die Menschheit waberte, als sie entdeckte, dass sie nicht länger der Mittelpunkt des Universums ist. Als die Erde zur Kugel wurde. Oder als uns um die Ohren gekloppt wurde, dass wir von Affen abstammen. Freud hat dann vor 100 Jahren auch nochmal nachgetreten. Es ist ein Schlag in die königliche Fresse.

Hehe….Ich spinne mal rum. Vielleicht gibt es irgendwann Theorien, die über die Zeit der Post-Sublimierung referieren. Über eine Zeit, in der Literatur ein reines Handwerk ist – das einiger Programmierer. Oder aber von Menschen betrieben wird, die etwas erschaffen, weil sie es wirklich wollen – und mit etwaiger Unvollkommenheit leben können. Ein Buch zu schreiben, wäre dann ein wenig, wie realistische Malerei, obwohl es Fotoapparate gibt. Etwas sehr persönliches, mit wenig Unterhaltungsfaktor. Oder?

Übrigens. Grätscht ruhig rein – in diesen Gedankengang. Interessiert mich brennend, was ihr dazu meint:

Weihnachten 2012

Weihnachten im Zeitraffer

Es fing mit einer Bahnfahrt am 23. an. Lief gut, bis zur Streckensperrung zwischen Kassel und Gießen. Vorher war’s vielleicht noch ein bisserl sehr warm im IC. Eigentlich sogar so warm, dass einige in T-Shirts oder sogar Träger-Tops ihrem Weihnachten 2012 entgegen fuhren. Aber in Kassel war dann halt Schluss mit IC. Es folgten zwei Stunden warten, selbst-versüßt mit diversen Gesprächen unter Mitwartenden. In denen ich u.a. gelernt habe, dass der Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe bei seiner Eröffnung einfach mal keine Toiletten hatte. Wikipedia sagt dazu: „2.500 geladene Gäste aus Politik und Wirtschaft feierten auf dem für die Öffentlichkeit gesperrten Bahnhof. Nach drei Stunden fuhren die fünf Sonderzüge wieder ab. Da im Bahnhof zunächst keine Toiletten vorhanden waren, bildeten sich vor zwei Toilettenhäuschen auf dem Bahnhofsparkplatz lange Schlangen.“ Für derart ausschweifende Fehlkonstruktionen, die jedes noch so überkandideltes Bauprojekt, wie eine Sandburg dastehen lassen, habe ich ja was übrig.

Gegen Abend dann also Ankunft in Marburg. Dort haben wir bei meiner Schwester gefeiert und uns gleichzeitig aus Platzgründen noch in einer Ferienwohnung eingenistet. Mit Pool! Schön. Am Vormittag einfach mal zwanzig Minuten hin und her zu plansch-paddeln. Eigentlich wollten wir auch noch wandern, aber das musste wetterbedingt ausgefallen – bis auf einen kleinen Mini-Spaziergang am 24.

Unser Heiligabend-Programm haben wir aber ansonsten knallhart as usual durchgezogen: Meine Schwester und ich haben geblockflötet – und unsere Eltern sich derweil gefragt, ob sie derartige Früchte der musikalischen Früherziehung verdient haben. Dann gab’s Kartoffelsalat und Bratlinge mit Salat. Fertig. Wir haben vor einigen Jahren mal zu Heiligabend opulent gekocht, saßen dann aber alle irgendwie unzufrieden vor unseren diversen Gängen – und sind deswegen wieder zum üblichen Menü zurückgekehrt. Davor Geschenke. Danach abhängen und spielen. Am 25. statt wandern Kino. Pizza essen. Und zum Einschlafen Trash im TV: „Tödliche Weihnachten“.

Weiter ging’s dann zum Rest vom Fest nach Braunschweig. Wobei da auch nicht alle versammelt waren, aber es gibt ja Skype. Kaffee. Kuchen – tatsächlicher der erste während der Feiertage. Dann italienisch Essen. Und schließlich Nachtleben mit Cousin und Cousine und Alkohol. Zudem habe ich noch einen alten Bekannten getroffen, der offenbar mittlerweile nach Braunschweig gezogen war. Die Welt ist klein, wird immer kleiner und es ist irgendwie schön, dass man tatsächlich so ziemlich überall wen trifft.

Aufwachen. Brummschädeli. Bahnhof. Meterlange Schlangen vor den Automaten. Kein Ticket also. Eine Frau, der es ebenso ging, ist tatsächlich nicht in den Zug eingestiegen und hat eine Stunde auf den nächsten gewartet. Im Zug durfte man offiziell nicht nachlösen. Verrückt. Schaffner kam dann noch nicht mal. Weihnachten vorbei. War schön.

Lichterrauschen

Dantons Tod

Da das mit dem Weltuntergang eine godot’sche Ente war und wir uns demnach nicht vor den wichtigen Fragen drücken können,schreib’ ich mal ein paar Gedanken zum „Privat-Hass“ auf. Denn das war am Dienstag im Thalia Theater eines jener Begriffe mit Schlussstein-Charakter.

Es wurde „Dantons Tod“ gespielt, und zwar auf einer riesigen (Welt)Kugel inmitten einer Drehbühne. Büchners Drama von 1835 spielt während der französischen Revolution 1794, in eben jener Zeitspanne kurz nach dem Sturz der Regierung; in der die revolutionären Gruppierungen beweisen müssen, dass es ihnen ernst ist – und sie nicht nur eine andere Version von Herrschaft sind. Denn Ideale zu haben ist einfach.

„Ihr Durst nach Idealen ist unersättlich“ (frei zitiert). Sie an den richtigen Stellen mit Inhalt und Leben zu füllen nicht. Sie werden schneller als man gucken kann zu quasi-religiösen Beschwörungen jenseits des Diesseits. Sie werden zu dogmatischer Moral. Zu Postulaten, an denen man sich nicht selbst misst, sondern sie anderen aufdrückt. Unterdrückt. Stetig wachsende bornierte Moral dessen Wurzeln sich im Privat-Hass verzweigen und ernähren. Hass, der seine Ursache nicht in einem änderbaren Umstand hat, sondern in sich selbst. Dort hört Freiheit auf und es beginnt Herrschaft. Dort stirbt Kritik und beginnt der Shitstorm. Die Möglichkeit zur Veränderung wird mit Zement festgegossen. Endet als Fossil.

„Die Revolution muss aufhören und die Republik muss anfangen. In unsern Staatsgrundsätzen muss das Recht an die Stelle der Pflicht, das Wohlbefinden an die der Tugend und die Notwehr an die der Strafe treten. Jeder muss sich geltend machen und seine Natur durchsetzen können. Er mag nun vernünftig oder unvernünftig, gebildet oder ungebildet, gut oder böse sein, das geht den Staat nichts an.“

Entgegen dieser Gruppierung rund um Robespierre, trat in Büchners Stück der Revolutionsführer Danton, der fern von Tugend und Moral in Hedonismus badete. Zusammen mit seiner Frau Julie wankte er betrunken bedrohlich nah am Abgrund der Weltkugel. Zelebrierte das Laster und ließ sich von Zweifeln über die Richtigkeit der von ihm mitgetragenen Hinrichtungen übermannen. „Wo Notwehr aufhört, beginnt Mord.“ (frei zitiert) Als ihn die Nachricht seiner Anklage erreichte, glaubt er zunächst, dass seine Popularität ihn schützen würde, bis sich die Unabwendbarkeit immer weiter verdichtete. „Du kokettierst mit dem Tod, aber es gibt keine Hoffnung im Tod“, appelierte Julie an die Diesseits-Realität ihres Mannes.

Mitten im Stück hat es sich Büchner nicht nehmen lassen eine Portion Kunst- bzw. Publikumskritik unterzubringen. Im Thalia Theater wurde es sinngemäß, in einer Rede zum Wahnsinn des Hungers, trotz Lebensmittelüberproduktion, auf die heutige Zeit gemünzt: „Ein Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet.“ Diese Wahrheit kennen wir natürlich alle längst – und (insbesondere deswegen) steht üblicherweise am Ende einer solchen Rede/ Diskussion/etc. ein: “ABER. Die Verhältnisse sind kompliziert….” Doch genau an dieser Stelle stoppte der Redner und entlarvte damit diese Floskel. Entblätterte die Feigheit, die in einem solchen Argument, das genau genommen keins ist, liegt. Vom Publikum animiert beendete er schließlich dennoch seine Rede mit diesem einlullenden “Aber” und kastrierte damit auf der Stelle jedwede (gefühlte) Handlungsmöglichkeit. Eigentlich sogar die Mündigkeit. Es folgte tosender Applaus. „Haben sie verstanden, was ich gesagt habe?“ – „Nein, aber sie spielen so schön.“ (frei zitiert)

Dantons Anhörung wurde zur Realität – und seine Verurteilung stand längst fest, sein Tod kurz bevor. Er redete sich, von einem Schlagzeug untermalt, in Rage: „Ich habe mit mir selbst konspiriert!“ Sein Redeschwall suggerierte Bewegung. „Das Genie der Freiheit.“ Im Sinne einer Neuschöpfung. Keine Moral, sondern das tun, was richtig ist. „Welches Schicksal zwingt uns lieber zu verurteilen, als zu vergeben?“ Im Schlussbild hingen Danton und seine Unterstützer. „Ich kann nicht sterben“ -> „Es ist elend sterben zu müssen.“

Das und noch absolut mehr gab es.

Wenn ihr in Hamburg seid, schaut es euch an. Und zwar in genau dieser Inszenierung (Jette Steckel) und Besetzung.

Neugierige Katze

Funny How?

Heute.

Tage an denen man mit prügelndem, inneren Krawall aufwacht, – legt man sich am besten auf Tage, an denen die Realität einen zu Wort kommen lässt. Geht natürlich nicht. Kausalzusammenhang. Und so weiter. Dann auch noch verschlafen. Freud. Et cetera. Dann: In sagenhaften 15 Minuten vom Bett zur Straßenbahn gesprintet. 2x Blödsinn getwittert. Einmal über den Sachverhalt an und für sich und dann noch über den Krawall, der sich in fehlenden Auswahlmöglichkeiten von Stohhalmfarben ausdrückte. Sprich: In einem Moment, in dem ich mit vier geheult hätte. Vielleicht mit Glück via Cocktail-Schirmchen zu beschwichtigen gewesen wäre. Jedenfalls war das der Trick der Mutter meiner besten Kindheitsfreundin Julia.

Na ja. Irgendwann ist es ja nunmal vorbei mit Cocktail-Schirmchen und alles rund um die Affektkontrolle muss man alleine händeln. Kann man irgendwann auch. Bastelt sich eigene Schirmchen. Glitzert sich selbst was vor – und anderen. Bastelt an krebsigen, psychotischen Zivilisationskrankheiten. Ist selbst schuld. Kopf und Tischplatte verstehen sich in der Mittagspause traurig gut. Ist nicht lustig.

Und dann war ich im Theater. Es war laut, es gab Bass, Schlagzeug und eine Choreografie, die haargenau in meine Wellen schlug, mitschwang; am Ende meinen Krawall schaukelte. Wiegenlied. Ha Ah! Dass das tatsächlich auch Sinn des Stückes war, wurde mir erst im Verlauf der Handlung klar – und damit auch, welch Genialität in ihr lag. Sie war punktgenau zu 100% natürlich, wahr, wirkte wie in eben diesem Moment entstanden, sprich ernsthaft lebendig – und das auf keinen Fall im Sinne von Mandalas oder Batiktüchern. Sie war aber gleichzeitig verrückt ausdifferenziert und tiefenintensiv:

Zum Beispiel: Zu bizarr karikativen Blas-Schunkel-Jodel-Bierzelt-Tonfolgen flossen prollige Bewegungen ins Zwanghafte. Mit gerade noch geschwollener Brust schlugen die Tänzer auf einmal in Embryohaltung auf den Boden ein – und schunkelten im fast gleichen Moment schon wieder. Es war wie ein steter Wechsel zwischen Innen- und Außenansicht, der sich mit wachsendem Alkoholkonsum und Enthemmung wasserfarbenmäßig ineinander goss.

Als Einschub: Wir reden hier übrigens nicht nur über einen großartigen Choreografen (Samir Akika), sondern auch über ein verdammt gutes Tanzensemble:Wenn man es drauf hat, während einer Bewegung zwischen Break-Dance und klassischem Ballett, einen kleinen Plastikball (der dort nicht sein sollte) erst im Sprung auf den Boden mit einer Hand wegzuschieben und dann zwei Schritte später, wie nebenbei mit dem Fuß wegzukicken, weiß man, was man tut!

Weiter: Es gab einen Plüsch-Koala, der durchaus unvermittelt einen Tänzer ohrfeigte – dann aber das Publikum mit Popcorn unterhielt. Und. Die Tänzer ohrfeigten sich unterdessen selbst. Ohne Pointe. Es folgte Slapstick. Bananenschalen. Schattenspiele mit Riesendildos. Bälle wurden gepubst. Torten. Und während all dies schrill ineinander floss, wurde quasi mit Worten Blut über die Szene gegossen. Damit, was Slapstick ist. Wo es her kommt: Auf Jahrmärkten wurden US-Sklaven in unerwarteten Momenten mit Slapsticks geschlagen, damit sie möglichst schmerzaufschreiend reagierten – und das zur allgemeinen Erheiterung des Publikums. Dabei flogen Gummipuppen und –knüppel durch die Gegend. Es wurde wütender. Die Nummer des Entfesselungskünstlers ging schief. Es ging um Schmerz und Komik. Aber auch um die Mechanik. Die Verkettung von Umständen: Wenn Einer ausrutscht, der Nächste plötzlich stoppt, Glasscheibe, Klirr…. Ihr kennt diese Szenen. Es ging darum, wer in ihnen der Protagonist ist. Quasi: Eine gerade entlassene Kassiererin, die in Hundekacke ausrutscht vs. ihr Chef, der darin landet. Letztendlich also um Ohnmächtigkeit – und auch um Rache.

Aber auch um Selbstkastration und Regungslosigkeit. Erst als der Pandabär wiederkam, als Retter und umkehrte; als er den Bahn-Card-Comfort-Typen rauschmiss, mit einer Nebelpistole angriff und Waffen verteilte, regten sich was: Wut. Aufbegehren – aber auch diverse Erektionen. Anhimmeln. Grausamkeiten. Farm der Tiere kennen wir schon. Und die Piraten mittlerweile auch. – und auch, dass sie mit Hilfe von Shit zu einer klischeeträchtigen Metapher geworden sind.

Darüber hinaus ging es um die Möglichkeit, um den Wunsch eines „inspirierten Lebens in der bürgerlichen Mitte“. Prekär ist eben nicht funny – außer man versteht das Wort nicht in all seiner zerschlagenden Ernüchterung. Und denkt Bohemian hätte als Soundtrack La Bohème.