Letztes Wochenende waren der Herr S. und ich auf einem 30. Geburtstag. Jedoch nicht in Bremen, sondern in Dresden. Genauer gesagt in der der Nähe von Dresden: In Rödern, bei Ebersbach, bei Großenheim. Nun, und falls ihr euch jetzt fragt, wo das eigentlich ganz exakt ist – und wie es dort ganz exakt ausschaut? Kein Problem: Das könnt ihr euch in den nächsten Tagen und Wochen rauf und runter im Weihnachts-Fernsehprogramm ansehen. Denn die „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ wurden ebendort im Wald gedreht – und zwar rund um die nahegelegene Moritzburg. Ihr erkennt sie vielleicht aus dem Film?
Leider waren wir so ganz insgesamt mit wenig Zeit gesegnet: Samstag früh 6 Stunden hin, dann 9 Stunden Geburtstag, gefolgt von 5 Stunden Schlaf, ein Tag Sightseeing in Dresden, 6 Stunden zurück und dann ins Bett fallen. Ich staune immer noch ein wenig darüber, was so alles in gerade mal 48 Stunden passt.
Nach ausschweifender Feierei also. In Rödern. Haben wir die Chance ergriffen, Dresden mal ein bisschen genauer anzusehen. Haben unser Gepäck am Dresdener Hauptbahnhof eingeschlossen – und sind los, geradeaus in die City. Eine sehr hübsche City. So ausufernd hübsch sogar, dass mir nahezu minütlich das Herz blutete. Zum einen, weil wir eben nur diesen einen Tag hatten – und zum anderen, weil dort nun einmal Pegida einen Ort für ihre Zentrale finden konnte.
Das Licht war an dem Tag sehr ideal böhmisch. Zumindest stelle ich mir genau das unter böhmischem Licht vor: Gleichzeitig düster und hell; Ein klirrend blauer Himmel, gemischt mit ein paar Schatten aus dunklem Türkis und beige-goldenem Schimmer. Eben vollends aufregend. So ein böhmischer Himmel.
Selbst der allgegenwärtige Weihnachtsmarkt hat in Sachen Stimmung kaum gestört. Denn als ausgesprochener Minimal-Fan solcher Märkte, versuche ich sie stets bestmöglich auszublenden. – Was in Dresden zu dieser Zeit wirklich nur verrückt schwer möglich ist. Da die Dresdener ganz offenkundig, ganz vernarrt in Weihnachtsmärkte sind. Genau genommen ist die komplette Stadt ein einziger Weihnachtsmarkt. Ja, der Herr S. und ich vermuten mitunter gar, dass Dresden einst um einen riesigen Weihnachtsmarkt herumgebaut wurde. Um all den Händlern und Gauklern ein zu Hause zu bieten. Gewissermaßen.
Aber. Dresden nimmt dies offenbar gelassen: All den Glitzer, die Glühwein-Ströme und die wirklich vielen XXL-Weihnachtspyramiden. Ganz ähnlich der Verwandtschaft Paris, Prag oder Florenz – wo selbstredend keine Bausünde der Welt Stimmung oder Schönheit ruinieren kann. Dafür sorgen sie schon, diese Stadtschönheiten. Durch ihre pure Anwesenheit. Mit Charakter; – Und stetig offenen Blick. Weil sie es selbstverständlich selbstredend gar nicht nötig haben, irgendwas dazu zu sagen – oder sich gar zu rechtfertigen.
Umso erstaunlicher: Dass Zwinger, Semperoper und Frauenkirche nicht einfach eine Allianz bilden. Dass diese altwunderschönen Gemäuer in ihrer Jahrhundert-Gelassenheit nicht einfach das abschütteln, was ihnen wirklich und nachhaltig die Schönheit raubt? Was ihnen Raum und Luft zum Atmen nimmt?
Vielleicht, hoffentlich warten sie noch ein wenig? Wie die Ents aus Herr der Ringe? Bis sie Pegida endlich rausjagen?
Dass Dresden eine so wunderbar hübsche Stadt ist, macht es übrigens sogar noch ein bisschen schwerer pegida zu ertragen.
— Sarah Maria (@Sarah_vs_Maria) 27. November 2016
Ihr dort lebenden Menschen: Ich kann es wirklich und gar nicht ertragen, dass im schönsten Bruchtal tiefstes Mordor sein soll. Daher folgt nun Kitsch sowie durchaus dringlicher Appell! Denn dort mitten im chicen böhmischen Licht, kurz vor den Toren Aschenbrödels, in all der Hübschheit; In einer Stadt, die ohne mit der Wimper zu zucken, das Zeug dazu hat, Leipzig, Köln und Berlin zu überholen; Dabei eventuell einmal kurz winken würde, wenn dann bald nun alle auf den hippen Hipster-Parties fragen:
„Und wo wohnst du?“
„In Dresden.“
„Du auch? Da will echt jeder hin.“
Überlasst die Stadt nicht einfach der Zerstörung. <3
So. Und jetzt. So zum Abschluss – vollends ohne Überleitung: Und da wir ja grad nun ohnehin schonmal hier sind, in Dresden: Ein kleines Anekdötchen in Sachen Semperoper. Denn ihr wisst ja, ich bin ein außerordentlich großer Opern-Fan:
Was ja viele nicht so recht wissen: Der gute Gottfried Semper hat seine berühmte Semperoper zwar entworfen – baute sie aber nicht. Die Bauarbeiten leitete sein Sohn Manfred. Und das nicht etwa, weil Gottfried vor der Fertigstellung starb oder ähnlich umfassend verhindert war, sondern schlicht, weil er Dresden sowie genau genommen ganz Sachsen nicht mehr betreten durfte.
Herr Semper war nämlich im Exil. Genau wie Richard Wagner und etliche andere. Er wurde sogar per Steckbrief als „Demokrat I. Klasse“ gesucht. Denn er mischte damals ordentlich mit: Bei der deutschen Revolution 1848/49. Während der Straßenkämpfe nahm Semper die Barrikaden genauer unter die Lupe und stellte fest, dass sie kaum einem Kampf standhalten würden. Also ließ er sie kurzerhand umbauen. Unter seiner Leitung entstand schließlich die Hauptbarrikade in der Wilsdruffer Gasse – die berühmt berüchtigte „Semper-Barrikade“. Sie stellte sich als derart unbezwingbar heraus, dass die Regierungstruppen schließlich aufgaben und statt Barrikade lieber die umstehenden Gebäude einrissen. Später soll er beklagt haben: „Was habe ich denn 48 getan, dass man mich ewig verfolget? Eine einzige Barrikade habe ich gebaut – hat aber standgehalten, weil sie practisch war und weil sie practisch war, war sie schön.“
In diesem Sinne:
#nopegida
<3
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