Weit über 100.000 Euro sind bereits mit Hilfe des Projektes #bloggerfuerfluechtlinge gesammelt worden. Eine Wahnsinns-Summe!
Die Gelder sind an unterschiedliche Projekte in ganz Deutschland gegangen. Eins davon ist Refugio e.V.. Der in Bremen ansässige Verein bietet seit 26 Jahren Geflüchteten kostenlos professionelle psychosoziale Beratung sowie psychotherapeutische Behandlung – und schließt damit eine wichtige Versorgungslücke: Denn laut dem deutschen Asylbewerberleistungsgesetz endet die medizinische Versorgung für Flüchtlinge zumeist bei einer angemessenen psychologischen Betreuung. Wenn überhaupt werden oftmals nur Kurzzeittherapien genehmigt, die zumeist keine ausreichende Behandlungsform für Menschen darstellen, die vor Folter und Krieg geflohen sind, die mit dem Verlust von nahen Angehörigen, Heimat und Identität zu kämpfen haben.
Der Bedarf an psychologischer Hilfestellung ist enorm, es gibt zum Teil lange Warteliste: Allein im Jahr 2014 hat Refugio 277 Klientinnen und Klienten betreut, rund 30% von ihnen waren minderjährig. Sie kommen aus über 30 Ländern, die häufigsten sind Serbien, Syrien, Iran, Afghanistan, Kosovo und Somalia.
Der Herr S. und ich haben uns vor einigen Tagen mit Marc Millies von Refugio e.V. getroffen, um ein wenig mehr über dieses großartige Projekt zu erfahren:
Das Team von Refugio bietet ein breites Behandlungsangebot, das je nach Wunsch und Bedarf von den KlientInnen genutzt werden kann: Neben Einzeltherapieplätzen, darunter auch Traumatherapie, gibt es gruppentherapeutische Angebote, wie Kunst-, Bewegungs- oder Musiktherapie. Darüber hinaus hat Refugio ein breites Netz von Kooperationspartnern in und um Bremen – darunter z.B. den SV Werder Bremen, dessen Anlagen regelmäßig genutzt werden dürfen.
Für eine erfolgreiche Behandlung ist die Sprache eine wichtige Stellschraube, daher werden viele Therapieangebote von Dolmetscherinnen und Dolmetschern verschiedener Sprachen begleitet. Dabei besteht die besondere Herausforderung oftmals nicht „nur“ in der reinen Verständigung, sondern auch darin auf die verschiedenen Dialekte hinsichtlich einer erlebten Täter-Opfer-Realität Rücksicht zu nehmen. Beispielsweise bei Menschen, die Folter überlebt haben oder als Kindersoldaten entführt wurden. Die Therapie sollte in einer „sicheren“ Sprache/ einem „sicheren“ Dialekt stattfinden.
Angst, darunter Posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen, sowie insbesondere bei Kindern Entwicklungsstörungen oder Lernschwächen sind vielfach die Themen, die in den Therapieangeboten von Refugio bearbeitet werden. Aber auch psychosomatische Erkrankungen wie Lähmungen, Tinnitus oder Herz-Kreislauf-Beschwerden sind vielfach Inhalt der Behandlung.
Doch es bleibt natürlich festzuhalten, dass längst nicht alle Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten, eine psychologische Erkrankung entwickeln: Netze innerhalb der Familie, sowie sichere soziale Strukturen hier vor Ort können helfen, um traumatische Erlebnisse hinter sich zu lassen.
Denn vielen Menschen fällt es schwer sich hier in Deutschland zurechtzufinden: Das beginnt z.B. beim Einkauf und findet seinen Gipfel in dem deutschen bürokratischen Wahnsinn. Viele Menschen fühlen sich fremd, isoliert und sehen sich völlig allein einem Berg von Aufgaben gegenüber.
Die Menschen, die Unterstützung bei Refugio suchen, leben oftmals nach wie vor in einer großen Unsicherheit: Angst vor Abschiebung in die Strukturen ihrer Herkunftsländer sind vielfach tägliche Begleiter und lassen nicht zu, dass Menschen ihr Leben neu organisieren und anfangen können. „Das Warten auf die Aufenthaltsgenehmigung zermürbt die Lebensenergie der geflüchteten Menschen, solange sie nicht neu anfangen können. Sie leben unter ständiger Angst, dass sie in das Land zurückkehren müssen, in dem sie verfolgt werden.“ (Erfahrungen – Refugio Website).
An dieser Stelle sind insbesondere Politik und Gesellschaft gefragt Strukturen zu schaffen, die Menschen ein sicheres Umfeld garantieren. Die Geflüchteten den Schutz bieten, den sie dringend benötigen. Sie brauchen Strukturen, die sie auffangen – keine, neuen Hürden. Das gilt insbesondere auch für die Flucht nach Europa: Es müssen dringend sichere und bezahlbare Fluchtmöglichkeiten geschaffen werden, um traumatische Erlebnisse während der Flucht, sowie den Verlust der Familie, weil jene in der Regel nur für wenige Familienmitglieder die Flucht bezahlen kann, auszuschalten.
Die Arbeit von Refugio Bremen wurde bereits vielfach für ihr unermüdliches und professionelles Engagement ausgezeichnet. Einen Teil der Gelder bekommt der Verein aus öffentlichen Mitteln, der größte Teil wird jedoch nach wie vor aus Spenden finanziert.
Hier könnt ihr spenden: klick <3
Auf die Frage, wie wir Bremerinnen und Bremer, neben den notwendigen Spenden, die Arbeit von Refugio außerdem unterstützen können, gab es eine recht klare Antwort! Ein konsequentes Hinwirken auf die Politik: Strukturen zu vereinfachen sowie einen barrierefreien Zugang zu medizinischer Versorgung zu schaffen.
*Die Bilder zu diesem Beitrag stammen aus dem „Ausstellungskatalog 2014, Bilder aus der kunsttherapeutischen Arbeit mit Geflüchteten bei REFUGIO“.
Mehr über das Projekt „Blogger für Flüchtlinge“ erfahrt ihr hier: klick
28 Comments