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Weil Mozart mir gehört….

Sarah Maria - Theater

Ich war das erste Mal mit sechs in einer Oper. Cosi fan Tutte. In Salzburg – um genau zu sein. Es war eine Aufführung der Uni-Abschlussklasse – und einer der beiden Tenöre ist nicht aufgetaucht. Lampenfieber? Man weiß es nicht. Jedenfalls musste der Prof damals für ihn einspringen; was für mich die Aufführung insgesamt ad Absurdum geführt hat, weil ich den beiden Damen einfach nicht abkaufen konnte, dass sie die Maskerade nicht durchschauen. Ich sach‘ mal so: Die Botschaft Mozarts und da Pontes (= der Librettist, der übrigens echt gut befreundet mit Casanova war) kam damals halt noch nicht so recht bei mir an:

Glücklich preis‘ ich, wer erfasset
Alles von der rechten Seite,
Der bei Stürmen niemals erblasset,
Wählt Vernunft als Führerin.
Was im Leben and’re weinen macht,
Ist für ihn ein Grund zum Lachen.
Drohn Gefahren noch so fürchterlich,
Wahrt er seinen heitern Sinn!

Aber ich habe in Salzburg nicht das erste Mal eine Oper gehört. Opern und klassische Musik waren vermutlich das erste, was ich überhaupt gehört habe. Und meine Eltern schwören bis heute, dass gegen mein Gestrampel im Bauch unter Garantie Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ geholfen haben. – Und, ja, ich gehe schwer davon aus, dass das absolut wahr ist, denn der Trick klappt noch heute bei mir. Legt Vivaldi auf und ich werd zum Schmusekätzchen, zu einer einzigen Positivassoziation. Eingehüllt im Skript vom Glück. – Ja, und auch dann, wenn ihr mir eine maximal klangschlechte Version via youtube vorsetzt. Miau.

Mozart löst in mir seit jeher einen ähnlichen Effekt aus. Seine Musik ist für mich so etwas, wie die Basis aller Melodien, die sich in mir, als damals unbeschriebenes Blatt, dermaßen tief verwoben haben, dass ich sie unmöglich hören kann, ohne dabei eine ganz tiefe Form von Ich-Empfinden zu spüren. Seine Musik ist ein wenig, als wenn ich selbst klinge. Ein Art Spiegel. Wie eine Muttersprache. Und eigentlich viel mehr. Sie ist so etwas wie mein Filter, durch den ich die Welt höre, ja eigentlich sogar sehe. Man könnte sagen die Basis meiner Realität. Logik. Sie ist Ich.

Ganz besonders stark empfinde ich dieses Gefühl bei der Zauberflöte. Und nein, ich gehe in die Vorstellungen keineswegs bedeutungsschwanger oder mit feierlichem Ernst, sondern äußert gelassen, da es schlicht nicht möglich ist, daran etwas zu ändern. Schlechte Aufführungen empfinde ich trotzdem noch als gut, weil ich mich einfach freue die Melodien zu hören. Der Rest ergibt sich in mir drin – ganz von selbst. Und ich gehe davon aus, dass es Vielen so geht. Deswegen gibt es meines Erachtens auch keine fanatischen wagnerian’esken Mozartianer.

Ich kenne die Oper auswendig. Daher stört es mich nicht, wenn der eine oder andere Sänger nicht so gut zu verstehen ist. Dass das heute in der (nicht übertexteten) Bremer Zauberflöte der Fall war, ist mir erst nach der Pause aufgefallen – denn nach diversen Hinweisen, habe ich drauf geachtet.

Ich saß ganz vorne und da niemand hinter mir war, der sich davon hätte gestört fühlen können, habe ich mich recht oft über die Reling zum Orchestergraben gelehnt. Auf mich wirkt Musik immer noch intensiver, wenn ich sehe, wie sie gespielt wird. Ich schaue einfach gerne dabei zu, wenn die Geigen alle gleichzeitig ihre Bögen über die Seiten hauen – und man im Augenwinkel bemerkt, wie die Blechbläser ihre Instrumente für den Einsatz gen Lippen heben. Luft holen. Ich mag es, wenn sie hektisch umblättern. Und ich steh drauf, wenn die Musiker auf die Emotionen in den Händen des Dirigenten ganz unmittelbar reagieren.

Nun. Aber. Mhm. Objektiv betrachtet (ja, und ich denke, das kann man durchaus so sagen), war die Oldenburger Zauberflöte am Montag besser. Vor allem musikalisch – so ganz insgesamt – denn auch wenn mir das kontrastreiche Dirigat von Daniel Mayr verdammt gut gefallen hat, hat mir mitunter die Geschwindigkeit gefehlt – und zudem haben die Sänger halt echt oft nicht „zusammen“, sondern eher gegeneinander, gesungen. Außerdem. Auch, wenn das Ensemble insgesamt gut war, allen voran Martin Kronthaler als Papageno und Cornelia Götz als Königin der Nacht, konnte es nicht mit der Oldenburger Besetzungsriege mithalten.

Die Bremer Inszenierung von (Chris Alexander – Regie; Martina Hellmann – Bühne; Marie-Theres Cramer – Kostüme; Jaqueline Davenport – Choreographie) war eine Zauberflöte. Aber auch nicht mehr – manchmal sogar weniger: Ich kann es zum Beispiel einfach nicht verzeihen, dass der Sarastro bei diesen Textzeilen den Zeigefinger erhoben hat:

In diesen heil’gen Hallen,
Kennt man die Rache nicht. –
Und ist ein Mensch gefallen;
Führt Liebe ihn zur Pflicht.
Dann wandelt er an Freundeshand,
Vergnügt und froh ins bess’re Land.
In diesen heiligen Mauern
Wo Mensch den Menschen liebt,
Kann kein Verräther lauern,
Weil man dem Feind vergiebt.
Wen solche Lehren nicht erfreu’n,
Verdienet nicht ein Mensch zu seyn.

Mhm. Da stellt sich in mir so ganz insgesamt das Gefühl ein, dass das Regieteam das Libretto schlicht nicht gelesen hat. Es gibt alle möglichen Dinge, die ein Sarastro tun oder lassen kann, wenn er das singt – aber den Zeigefinger heben? Nee. Echt nicht!

Ansonsten gab es einige starke Bilder: Ein anfänglicher Urwald, als metallisch geschlossener Blätterwand. Oder die Königin der Nacht am Firmament. Andere Bilder waren (leider) nie zu Ende gedacht: Pamina lag z.B. angekettet vor einer riesigen Tafel mit diversen Formeln, vielen Ableitungen, sogar einer EEG-Ableitung und einem Mann-Frau-Gefälle (Ordnung vs. Chaos).

Auf dieses Bild wird jedoch im weiteren Verlauf nie wieder Bezug genommen: Sarastro und seine Gesellen sind kein Universitätspersonal, sondern irgendwas in Richtung ägyptische Priester. Sprich die aufgemachte Wissens-Aktualität weicht einem Mythos. Das macht die Komplettinszenierung des Gegensatzes der Königin der Nacht vs. Sarastro irgendwie ohne Aussage, weil beide sich in der Inszenierung eben im Mystischen bewegen. Da hilft es auch nicht, dass diverse Tore mit den Worten „Natur“, „Vernunft“, „Weisheit“ deklariert wurden.

Trotzdem.
Und viel mehr als nur das!
Ich war gerne da. Sehr sogar.

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