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Dantons Tod

Lichterrauschen

Da das mit dem Weltuntergang eine godot’sche Ente war und wir uns demnach nicht vor den wichtigen Fragen drücken können,schreib’ ich mal ein paar Gedanken zum „Privat-Hass“ auf. Denn das war am Dienstag im Thalia Theater eines jener Begriffe mit Schlussstein-Charakter.

Es wurde „Dantons Tod“ gespielt, und zwar auf einer riesigen (Welt)Kugel inmitten einer Drehbühne. Büchners Drama von 1835 spielt während der französischen Revolution 1794, in eben jener Zeitspanne kurz nach dem Sturz der Regierung; in der die revolutionären Gruppierungen beweisen müssen, dass es ihnen ernst ist – und sie nicht nur eine andere Version von Herrschaft sind. Denn Ideale zu haben ist einfach.

„Ihr Durst nach Idealen ist unersättlich“ (frei zitiert). Sie an den richtigen Stellen mit Inhalt und Leben zu füllen nicht. Sie werden schneller als man gucken kann zu quasi-religiösen Beschwörungen jenseits des Diesseits. Sie werden zu dogmatischer Moral. Zu Postulaten, an denen man sich nicht selbst misst, sondern sie anderen aufdrückt. Unterdrückt. Stetig wachsende bornierte Moral dessen Wurzeln sich im Privat-Hass verzweigen und ernähren. Hass, der seine Ursache nicht in einem änderbaren Umstand hat, sondern in sich selbst. Dort hört Freiheit auf und es beginnt Herrschaft. Dort stirbt Kritik und beginnt der Shitstorm. Die Möglichkeit zur Veränderung wird mit Zement festgegossen. Endet als Fossil.

„Die Revolution muss aufhören und die Republik muss anfangen. In unsern Staatsgrundsätzen muss das Recht an die Stelle der Pflicht, das Wohlbefinden an die der Tugend und die Notwehr an die der Strafe treten. Jeder muss sich geltend machen und seine Natur durchsetzen können. Er mag nun vernünftig oder unvernünftig, gebildet oder ungebildet, gut oder böse sein, das geht den Staat nichts an.“

Entgegen dieser Gruppierung rund um Robespierre, trat in Büchners Stück der Revolutionsführer Danton, der fern von Tugend und Moral in Hedonismus badete. Zusammen mit seiner Frau Julie wankte er betrunken bedrohlich nah am Abgrund der Weltkugel. Zelebrierte das Laster und ließ sich von Zweifeln über die Richtigkeit der von ihm mitgetragenen Hinrichtungen übermannen. „Wo Notwehr aufhört, beginnt Mord.“ (frei zitiert) Als ihn die Nachricht seiner Anklage erreichte, glaubt er zunächst, dass seine Popularität ihn schützen würde, bis sich die Unabwendbarkeit immer weiter verdichtete. „Du kokettierst mit dem Tod, aber es gibt keine Hoffnung im Tod“, appelierte Julie an die Diesseits-Realität ihres Mannes.

Mitten im Stück hat es sich Büchner nicht nehmen lassen eine Portion Kunst- bzw. Publikumskritik unterzubringen. Im Thalia Theater wurde es sinngemäß, in einer Rede zum Wahnsinn des Hungers, trotz Lebensmittelüberproduktion, auf die heutige Zeit gemünzt: „Ein Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet.“ Diese Wahrheit kennen wir natürlich alle längst – und (insbesondere deswegen) steht üblicherweise am Ende einer solchen Rede/ Diskussion/etc. ein: “ABER. Die Verhältnisse sind kompliziert….” Doch genau an dieser Stelle stoppte der Redner und entlarvte damit diese Floskel. Entblätterte die Feigheit, die in einem solchen Argument, das genau genommen keins ist, liegt. Vom Publikum animiert beendete er schließlich dennoch seine Rede mit diesem einlullenden “Aber” und kastrierte damit auf der Stelle jedwede (gefühlte) Handlungsmöglichkeit. Eigentlich sogar die Mündigkeit. Es folgte tosender Applaus. „Haben sie verstanden, was ich gesagt habe?“ – „Nein, aber sie spielen so schön.“ (frei zitiert)

Dantons Anhörung wurde zur Realität – und seine Verurteilung stand längst fest, sein Tod kurz bevor. Er redete sich, von einem Schlagzeug untermalt, in Rage: „Ich habe mit mir selbst konspiriert!“ Sein Redeschwall suggerierte Bewegung. „Das Genie der Freiheit.“ Im Sinne einer Neuschöpfung. Keine Moral, sondern das tun, was richtig ist. „Welches Schicksal zwingt uns lieber zu verurteilen, als zu vergeben?“ Im Schlussbild hingen Danton und seine Unterstützer. „Ich kann nicht sterben“ -> „Es ist elend sterben zu müssen.“

Das und noch absolut mehr gab es.

Wenn ihr in Hamburg seid, schaut es euch an. Und zwar in genau dieser Inszenierung (Jette Steckel) und Besetzung.

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  1. Pingback: daniel

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